Aus: Buddhismus Heute Nr. 53, (Herbst 2013)

Leben in Buddhistischen Zentren

Interview mit Lama Ole Nydahl

Was ist die eigentliche Aufgabe der Zentren?
Der Buddhismus hat nur ein einziges Ziel: erwachsene, selbständige Menschen zu entwickeln. Er hat keine andere Aufgabe als das. Glaubensreligionen bauen Kirchen oder Tempel für ihre mehr oder weniger angenehmen und freiheitsgewährenden Götter. Wir machen unsere Zentren und Stupas nicht für Buddha, der sowieso jenseits aller eigenen Wünsche ist, sondern aus Dankbarkeit zu ihm und für uns selbst, damit es Orte gibt, an denen die Wesen wachsen und lernen können.

Dafür sind Freiheit, die daraus entstehende menschliche Reife, Offenheit und ein größtmögliches buddhistisches Wissen unter den Menschen wichtig, denn nur mit Durchsichtigkeit und ohne Zweifel ist ein dauerhaftes Wachstum möglich. Es ist dabei unumgänglich, dass man den Fähigkeiten aller Beteiligten vertraut. Behandelt man sie wie Kinder, bleiben oder werden sie auch so. Wenn man sie aber auf ihren inneren Reichtum aufmerksam macht, ihnen selbständigkeitsfördernde Mittel gibt und ihnen für ihren Weg Verantwortung überträgt, dann blühen Begeisterung und Wachstum. Der Sinn ist also, eine Stelle zu bieten, an der Menschen ihre innewohnenden Eigenschaften entfalten können.

Wesentlich ist dabei, wöchentlich mehrmals gemeinsam zu meditieren und danach nötige Fragen stellen zu können. Das Gefühl von Raum und Überschuss, das dadurch entsteht, ergänzt die sinnvollen Eigenschaften aller in der Gruppe und man lernt auf bewussten wie unbewussten Ebenen. Was man gut und gerne mit anderen zusammen üben kann, sollte man also anstreben und zugleich alles Gelernte fließend im eigenen täglichen Leben heranreifen lassen. Wer in unseren Zentren wohnt oder sie betreut, sollte zusätzlich mit Begeisterung die Möglichkeit genießen, besonders viel langfristig Sinnvolles für andere tun zu können. Der erste Schritt, in ein Zentrum zu gehen, ist oft nicht leicht. Man zeigt sich ja dadurch selbst, dass man etwas lernen möchte, dass man also noch nicht selbst alles geschafft hat, und das verträgt ein gewöhnliches Ego schlecht. Deswegen sollte man einfach und freundlich mit Neuen reden, etwas von der eigenen Geschichte undramatisch teilen, auf Fragen eingehen, auf Hefte und Bücher zeigen und sie darin schnüffeln lassen. Man gibt also Auskunft, redet aber nicht auf sie ein und versucht nicht übereifrig, ihnen am ersten Tag alles zu erzählen. Ein ehrliches und freundliches Gespräch genügt, danach können die Besucher dann unser Angebot mit anderen vergleichen und selbst entscheiden, was am besten zu ihnen passt. Keiner hat Vorteil davon, wenn Menschen etwas für sie Ungeeignetes davontragen und ihre Zeit verschwenden. Man hat also große Verantwortung bei Neuen, wird ihr geistiger Freund und soll sie auch weiter vermitteln, wenn ihnen unser Hut zu groß ist und vor allem, wenn sie eigentlich Betreuung bräuchten.

Warum gründest du so viele Zentren?
Üben ist das Wesentliche bei uns Kagyüs. Durch die Vorträge und unsere Bücher finden viele Vertrauen zu etwas in sich selbst, und wenn sie danach meditieren wollen, sollten Zentren und Menschen mit Erfahrung für sie erreichbar sein. Dort können sie dieses Vertrauen untermauern, sowohl mit den besuchenden als auch dortigen Lehrern arbeiten und sich mit den Freunden gemeinsam vertiefen.
Unsere derzeitigen 630 Gruppen und Zentren weltweit geben vielen den Überschuss, besser leben, sterben und wiedergeboren werden zu können. Die Mittel, die wir zu dem Zwecke nutzen, sind von Buddha Shakyamuni durch die Karma-Kagyü-Übertragungslinie heruntergereicht. Sie sind 2550 Jahre alt, seit ungefähr 1050 in Tibet und sehr wirksam. Um diesen Schatz an Wissen und Mitteln zu erhalten und vor allem weil der große 16. Karmapa Hannah und mich darum bat, halte ich den Aufbau von Zentren für unumgänglich. Auch wenn ich ohne Urlaub oder Wochenenden mit nur zweimal drei Tagen auf schweren BMW-Motorrädern mit Freunden in den Alpen und den USA verbringen kann, lebe ich damit gut. Ich bin von den Lehren völlig begeistert und genieße die Entwicklungen zahlloser Freunde sehr.

Du hast mal gesagt, dass ein modernes Mahamudra durch die Zentren arbeitet. Wie meinst du das?
Wir sind alle auf dem Diamantweg durch wachsende Erfahrungen von Raum gleich Freude miteinander verbunden. Das schafft tiefe Verbindungen zwischen den Menschen. Zum einen, weil man sich häufig sieht und die Gesellschaft genießt, und zum anderen – und das ist bedeutender – weil man über die Gruppen, die vor Ort Lehrenden und über die Verbindung zu mir in Karmapas Kraftfeld kommt.
Wer eine solche Gruppe besucht, lernt sowohl über Buddhas Lehre als auch über sich selbst. Die Grundeinstellung bleibt die alles befreiende Sicht des Großen Siegels (skt. Mahamudra): Man versteht dabei, dass Erleber, Erlebtes und Erlebnis zeitlose Ausdrücke derselben Ganzheit sind. Deshalb wird der Besuch im Zentrum entweder eine nötige Reinigung von Hindernissen oder ein Segen zum Weitervermitteln, bleibt aber immer ein Spiegel, der einem das eigene Gesicht zeigt. Deswegen sagen die Tibeter, es sei besser, im Zentrum oder alleine zu meditieren als zerstreut auf dem Knie des Lamas zu sitzen.
Wenn man sein Bestes tut, die Bände hält und geschickt und zum Besten aller die Mittel der Linie verwendet, ist der Lehrer da. Sicher wird Wachstum mit wenig Verbindung zu einem Lehrer oder einem buddhistischen Zentrum auch geschehen, es fehlt aber viel an "Schub". Deswegen reisen erfahrene Schüler so viel, um ihren Lehrer zu treffen. Dadurch kann man die Nase in der Spur halten und jenseits der eigenen Gewohnheiten viel lernen, was einen bereichert oder falsche Vorstellungen auflöst. Jede gut laufende Gruppe vertritt die zeitlose Erfahrung des Diamantweges. Durch sie kommen Belehrungen, Meditation und Mittel zusammen und man trifft Lehrer, die wichtige Lehren und Segenserfahrungen schenken.

Wenn man nur wenig Zeit hat, ist es dann besser, bei der Zentrumsarbeit mitzumachen oder eigene Praxis zu machen?
Ich würde versuchen, beides zu schaffen. Warum sich von vornherein durch Begriffe begrenzen? Wenn es im Zentrum viel zu tun gibt, kann man beim Mithelfen Mantras sprechen. Was wirklich zum Besten aller ist, wird erledigt, und dann kann man sich weiter in den Übungen vertiefen.
Aber zurück zu deiner Frage: Das Beste wäre, viele von den eigenen Meditationen ins Zentrum zu verlegen. So lernt man durch die Entwicklung der anderen, hält die Verbindungen und steht mit den Freunden im Austausch. Außerdem verstehen Neue die Bedeutung, wenn auch erfahrene Mitglieder das Zentrum nutzen. Der Eindruck darf nicht aufkommen, wie es einmal an einer Stelle geschah, dass nach den Grundübungen der nächste Schritt "Computer" heißt. Das gilt nur für diejenigen, die schon zu Regenbögen wurden.

Wir nennen die Gruppe der Menschen, die im Zentrum aktiv sind, manchmal ein "Mandala". Was bedeutet das?
Mandalas – Kyilkor auf Tibetisch, heißt "Mitte und was darum ist" – sind selbstentstandene Erleuchtungskraftkreise der Buddhas. Man verwendet die Bezeichnung auch für die Menschen, die zu dem Kraftkreis dazugehören, indem sie für ein erleuchtetes Prinzip arbeiten. Bezogen auf die Gruppen, mit denen ich arbeite, bedeutet das: Solange wir Freunde bleiben, ehrlich zueinander sind und uns gegenseitig vertrauen, wird das, was in den Zentren geschieht, den Schutzkreis der Karmapas entwickelnd ausdrücken.
Das bedeutet auch, dass wir nicht hierarchisch arbeiten, sondern dass jeder durch das Kraftfeld am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt ist und von dort den anderen entspannt und sinnvoll helfen kann. Das gibt höchstmögliche menschliche Entwicklung. Wichtig ist dabei, dass diese Mandalas überpersönlich arbeiten: Ein dänisches Sprichwort sagt: "Der Friedhof ist voll von unersetzbaren Menschen." Wie oft man auch denken mag: "Alles hängt an mir, ihm, ihr, ohne uns geht gar nichts", so ist das nur kurzfristig gesehen. Sobald ein Träger wegfällt, verschiebt sich in Kraftkreisen etwas und andere führen die Arbeit weiter. Die Kraftfelder bleiben, während neue Sichtweisen und Tatbereiche erscheinen, und ist der letzte Idealist nicht verstorben, klappt es vielleicht sogar besser als vorher.
Einige denken mitunter, dass sich die "Macher" im Zentrum aufopfern, nur für alle anderen arbeiten und halten sich deshalb lieber lobend heraus, weil sie genug Zeit für die eigene Entwicklung suchen. So viereckig ist das aber nicht. Die Zentrumsarbeit nutzt einem selbst so viel wie den anderen und jede Beschäftigung mit der Lehre lässt einen heranreifen: Wer es zu jeder Zeit schafft, ein ansprechendes Beispiel abzugeben und sich auch nicht hängen lässt, wenn ständig andere Menschen kommen und etwas von einem haben oder hören wollen, wird besonders stark durch das bereichert, was er jenseits eigener Bequemlichkeit vermittelt. Man erfährt dadurch echtes Wachstum.
Die Buddhas segnen uns vor allem jenseits unserer Begrenzungen, und alle Zentrumsleute kennen diesen Fall: Wenn man sich eben nach langem Tun selbst für sein gutes Beispiel auf die Schulter klopfen will, dann stehen die nächsten Freunde mit einem Onkel da, der überhaupt nichts verstanden hat und der gerade jetzt etwas braucht. Genau solche Erfahrungen lassen einen irgendwann vergessen, sich für begangene gute Taten auf die Schulter zu klopfen, und allmählich verhungert das Ego kläglich daran. Danach ist alles Reichtum und hat Sinn. Dann bekommt man jede Freude geschenkt und genau dort wollen wir hin. Das ist das offene Geheimnis des Bodhisattvatums: Man arbeitet oder spendet für andere, aber wer das tut, erntet Wonne und Sinn ohne Ende.

Was für ein Menschentyp sollte in den Zentren wohnen? Du sprichst manchmal von "people-people" – was ist das?
People-people ist eine Bezeichnung von den Amerikanern: Man sieht – sicher wegen Erfolgen während früherer Leben – die Menschen auf einer hohen Ebene und mag den Austausch mit ihnen. Jeder, Besucher wie Zentrumsmensch, spürt, ob bei einem der Überschuss vorhanden ist, um entspannt, reif und natürlich auf die Wünsche der anderen einzugehen und gleichzeitig im Geist zu halten, dass Besucher sowie Freunde Rohstoff sind, aus dem schöne Überraschungen entstehen können.
Hat man ein sinnvolles, ehrenwertes Ziel in diesem Leben, ist das eine wichtige Brücke zu den Menschen. Ist man gereist und/oder besitzt internationale Verbindungen, hält man sich zu Tagesthemen politisch unkorrekt und fließend bewusst und sieht die großen, weltlichen Bewegungen und Gefahren, sind das auch Brücken. Dann fehlen einem nur noch leichte Quellen zu Geld, Wissen und Erfahrung mit Buddhas Lehre und die Freundschaft wie Lust zur Zusammenarbeit mit anderen im Zentrum für die größte aller Aufgaben. Also kurz: Ein nicht klebendes und angenehmes Verantwortungsgefühl, und alles passt. Zum Glück vertritt dieser Menschenschlag unsere Zentren, denn Buddhisten werden oft nach dem ersten Gesicht beurteilt, das jemandem die Tür öffnete.

Haben Bewohner von Zentren eine besondere Funktion? Was ist der Unterschied zu denen, die nahebei wohnen und oft zum Helfen kommen?
Die größere Verantwortung.

Wenn man im Zentrum wohnt, was ist dann die beste Weise sich einzubringen und dem Zentrum zu nutzen? Fließend das zu tun, was anliegt.

Welche Motivation sollte man haben, um im Zentrum wohnen zu wollen?
Echte Freude, wenn Menschen etwas verstehen und sich entwickeln.

Wie kann man es schaffen, in der täglichen Zentrumsarbeit Begeisterung und Motivation aufrecht zu halten?
Meditieren und die Bedeutung der Arbeit verstehen.

Du sagtest mal, dass das Leben im Zentrum ganz schnelle menschliche Entwicklung bringt. Warum ist das so?
Wegen der sinnvollen Ausrichtung, des zeitlosen Kraftfeldes und der vielen fähigen Menschen dort.

Was wären Anzeichen dafür, dass man vielleicht besser wieder aus dem Zentrum auszieht?
Müdigkeit, fehlende Lust oder Erfolge mit den Menschen.

Wie geht man am Besten damit um, wenn man Anhaftung am Leben im Zentrum hat?
Die himmlische Kuh melken und das Gefühl nützlich machen für andere.

Kann es nach langem Leben im Zentrum auch gerade gut sein, mal wieder das "normale Leben" zu erfahren statt im "Buddhi-Ghetto" zu bleiben?
Das ist echt gesund. Wir züchten reife Menschen, nicht Flüchtige. Beides zugleich tun zu können ist ein hohes Ziel.

Kann man von den Zentrumsbewohnern erwarten, dass sie auch den Großteil des Programms im Zentrum mitmachen?
Das ist sehr wichtig. Nach Meditation, Helfen im Zentrum und mit Freunden Zeit teilen, folgen nicht  Computerspiele, sondern weitere Vertiefungen.

Hannah hat mal in einem Interview gesagt, dass ihr beide den Wunsch hattet, in einem Zentrum zu leben, schon bevor ihr das erste Zentrum in Kopenhagen gestartet habt. Magst du etwas darüber erzählen, was ihr da gedacht und empfunden habt?
Unsere Nächte waren so erfüllend, dass auch tagsüber Glück zu verbreiten selbstverständlich wurde.

Du empfiehlst oft, zu meditieren, im Zentrum mitzumachen und mit dem Lehrer zu reisen. Ist das alles gleich wichtig, oder wie sollte die Balance sein?
Je nach Lust und Möglichkeit, aber man sollte alles erfahren.
In Tibet bereisten die Karmapas während der warmen Jahreshälfte ständig die Zentren, oft mit großem Gefolge.

Wie kannst du als Lehrer deine Schüler checken? Spielen die Zentren eine Rolle dabei?
Ich sehe meine Schüler, und höchste Wahrheit ist höchste Freude. Nach eurem Glück messe ich unseren Erfolg. Es gilt, das Reine Land nicht zu verlassen und eigene Verwirklichungen mit anderen zu teilen! Meine Weise, mit euch verbunden zu sein, ist, dass ich durchsichtig das sage und ausdrücke, was ich für wichtig halte. An euren Gesichtern lese ich dann ab, wie wir noch besser zusammenarbeiten können. Menschen haben keinen Vorteil davon, wenn sie leidend bei den ehrlichen Kagyüs bleiben, während sie woanders mit Gemeinplätzen gesülzt glücklicher wären. Ein paar mitfühlende Aussagen zu den unterdrückten Frauen in unseren Ghettos halten Ängstliche und Nicht-Demokraten weg und danach strahlt die Sonne einer ehrlichen Einschätzung der Welt. In ihrem Licht kann man langfristig Nützliches für die Wesen tun, auf der Grundlage von dem was tatsächlich ist.
In unseren Zentren läuft der Austausch für die bestmöglichen Besatzungen ständig und offen weiter. Hier geht es darum, Orte zum Besten aller zu schaffen. Da taugt es wenig, wenn man am liebsten "heilig" tun will und Schwierigkeiten bei weiteren Entwicklungen ausweichen möchte.
Zum Nutzen anderer müssen diejenigen heran, die wissen und handeln wollen, nicht glauben und hoffen...

Soll man bei Entscheidungen im Zentrum selbständig handeln oder grundsätzlich den Lama fragen?
Kommt auf deren Tragweite an. Der Geist ist ein Fachgebiet. Zu Geld, Zentrumskauf und Organisation unbedingt Caty und Gergö fragen, und zu tibetisch-asiatischer Politik sowie Einladungen von Lehrern, die nicht von uns sind, vor allem mich. Ich kenne meine Kollegen seit 40 Jahren.
Unsere Vertiefungen sind gleichfalls ein Gebiet, auf dem ich mich verantwortlich fühle und ich meine Schüler sehr beobachte. Jeder kann nach Wunsch und Möglichkeiten die Phasen des Entstehens der Buddhas so lang gestalten, wie er den Faden oder das Mantra halten kann, bei der Verschmelzung soll der Geist aber frisch bleiben und einen wie ein Löwe aus der Vertiefung steigen lassen, und nicht wie ein Lamm. Sich durchzwingen wird beim ersten Ngöndro sehr geraten.
Es gibt Kraft und Vertrauen. Danach sollte der Geist sich aber immer mehr seines unendlichen Reichtums ergötzen können, was auch auf seiner Bildfläche an "Kröten" erscheinen mag! Bei Entscheidungen der persönlichen, alltäglichen, Nicht-Experten-Ebenen wie zum Beispiel, ob man neue Räume mieten sollte oder wen man als neuen Zentrumsbewohner aufnehmen soll, kann man geheim wählen, eine kleine Gruppe entscheiden lassen oder eine gemeinsame Entscheidung treffen. Ein gutes Gefühl bei den Freunden, die das Zentrum leiten, sollte auch als Gütezeichen gelten. Im letzten Fall sollte man vielleicht allgemein am besten die ersten Monate auf Probe geben. Selbst dann, wenn wenig Bände entstanden sind oder Zentrumsbewohner aus Platz- oder anderen Gründen weiterziehen, wird die geteilte Zeit, die in einem Dharma-Rahmen verbracht wurde, bei allen zu späterem Nutzen führen.
Selbstständigkeit ist wie immer im Buddhismus das Ziel, und es ist eine Freude, wenn Zentren oder Gruppen an sich wachsen. Es ist ein Beispiel für alle. Und wird die Erfahrung des Lamas gefragt, sollte er die Gründe zu seinen Entscheidungen erklären.

Was wird die Rolle unserer Zentren in der Zukunft sein? Einfach ein Ort zum Meditieren wie bisher, oder werden sie auch eine gesellschaftliche und politische Funktion bekommen?
Unsere Zentren werden immer Orte der Freiheit – gedacht, geschrieben wie gesprochen – bleiben. Sie sollen den Menschen beibringen, wie sie begabt denken können, aber nicht was sie denken müssen. Wir arbeiten mit dem Geist, meditieren, lernen und lehren, wollen aber weder eine politische Gruppe werden noch eine buddhistische Partei gründen.

Noch eine abschließende Bemerkung?
Das buddhistische Zentrum ist das Kraftfeld derer, die für den Diamantweg offen sind. Denn wenn man nicht in irgendeinem Leben mit seinem Geist gearbeitet hat und jemand sagt einem, der Geist sei "Klares Licht", erfährt man nichts dabei. Dass wir überhaupt hier angekommen sind und uns für den Diamantweg-Buddhismus begeistern können, hat viele Leben gedauert und ist äußerst selten auf der Welt. Das gibt Verantwortung und macht uns selbsttätig zur Elite. Die Menschen mit dem wohl besten Karma leben zur Zeit im Westen, wo es die besten Ausbildungen, Freiheiten und den größten Idealismus gibt.
Jeder, der sich mit dem Diamantweg zu Hause fühlt, hat die Möglichkeit, in unseren Zentren mitzumachen. Er empfängt dabei Vieles, schenkt Neuen seinen Überschuss weiter und ermöglicht dadurch anderen, erleuchtende Erfahrungen zu bekommen, die diese wiederum mit anderen teilen. So wächst jeder: immer durch menschliche Verbindungen und Begegnungen mit persönlichen Einsichten. Man kann nur andere berühren, wenn man selbst gerührt wurde. Wir können Menschen nur etwas vermitteln, wenn jenseits von Worten eine Erfahrung an uns übertragen wurde und in uns wachsen konnte.

Das Kerngeschäft unserer Zentren ist, Diamantwegbelehrungen und -meditationen zu vermitteln. Wir arbeiten mit höchst umfassenden und kraftvollen Übungen auf das Auflösen des begrenzenden Egos durch die Erfahrung von Raum als Wonne hin. Dies geschieht durch sehr gezielte Mittel der Einswerdung: Man benimmt sich wie ein Buddha mit Körper, Rede und Geist, bis man einer geworden ist.

Zusammengestellt aus bei Vorträgen gestellten Fragen, ergänzt durch Fragen der Redaktion.


Lama OLE NYDAHL

ist ein buddhistischer Lehrer mit zehntausenden Schülern in aller Welt. Während der Hochzeitsreise mit seiner Frau Hannah begegneten sie 1968 dem 16. Gyalwa Karmapa, dem Oberhaupt der Karma-Kagyü-Schule des tibetischen Buddhismus. Der 16. Karmapa beauftragte die beiden, im Westen den Diamantweg-Buddhismus zu lehren und buddhistische Zentren zu gründen. Seitdem ist er ständig weltweit unterwegs, um Vorträge zu halten, Meditationskurse zu leiten und buddhistische Zentren zu betreuen.
Mittlerweile hat Lama Ole Nydahl mehr als 630 Meditations- und Studienzentren der Karma-Kagyü-Linie gegründet und ist damit der wohl bekannteste westliche buddhistische Lehrer. Mehr als 150 Zentren und Gruppen befinden sich im deutschsprachigen Raum, womit die Karma-Kagyü-Linie eine der populärsten buddhistischen Traditionen im Westen geworden ist.

www.lama-ole-nydahl.de