"A Golden Swan in Turbulent Waters"Das neue Buch von Shamar Rinpoche
Der 10. Karmapa Chöying Dorje (1604 bis 1674) war ein großartiger Bodhisattva und Künstler, der in Tibet in einer Zeit dramatischer Veränderungen lebte: der Invasion der Mongolen, des Aufstiegs der Gelugpa-Schule und des Erscheinens des mächtigen 5. Dalai Lama. Von Seiten moderner Gelehrter hat sein Leben jedoch bisher kaum Beachtung erfahren. In seinem Buch "A Golden Swan in Turbulent Waters" ("Ein Goldener Schwan in stürmischen Gewässern") stellt Shamar Rinpoche den Lesern den 10. Karmapa vor, indem er sowohl aus dessen autobiographischen Schriften, als auch denen seiner Biographen aus dem 18. Jahrhundert übersetzt. Ein Überblick über die Geschichte Tibets vom 13. bis 17. Jahrhundert leitet die Biographie ein.
Der Autor ist die 14. Wiedergeburt des Shamarpa und damit Nachfolger der direkten Übertragungslinie seit dem 6. Shamar Rinpoche, welcher in diesem Buch als Guru des 10. Karmapa eine herausragende Rolle einnimmt. Das einzigartige Wissen und die Erfahrung Shamarpas bereichern seine ausführlichen Anmerkungen."A Golden Swan in Turbulent Waters" umfasst 288 Seiten und enthält Karten, ein Glossar, ausführliche Fußnoten, Übersetzungen tibetischer und chinesischer Begriffe und eine Bibliographie. Zwanzig farbige Illustrationen stellen das künstlerische Werk des 10. Karmapa vor und die Plätze, an denen er lebte. Einige der Kunstwerke werden zum ersten Mal veröffentlicht. Buchauszug
Auf die Reise nahm Karmapa ein Pferd, einen Spazierstock und ein paar Grundnahrungsmittel mit, die er auf das Pferd band. Mit den mageren Vorräten eines Bettlers zog er los nach Golok. Auf dem Weg musste er von Tigern bewohnte Dschungel passieren, es liefen ihm aber keine über den Weg. Karmapa überquerte einen sehr felsigen Berg und kam auf der anderen Seite auf Ackerland, das sehr karg und flach war. Er rastete und aß etwas an einem Flussufer. Weil es dort spukte, hatte sein Pferd Angst, den Fluss zu überqueren, aber Karmapa überquerte ihn trotzdem. Später fand er eine Höhle, in der er bleiben und sich ausruhen konnte. Von einem Hirten kaufte sich Karmapa Yoghurt und Milch. Der Hirte stellte Karmapa dem Oberhaupt einer kleinen Gruppe örtlicher Familien, Tharlam, vor. Tharlam behandelte Karmapa sehr gut, konnte ihn aber nicht dazu bewegen dazubleiben. Karmapa drängte weiter in Richtung seines Zieles und kam in eine Gegend mit vielen Reisfeldern, ganz im Gegensatz zu Zentraltibet, wo es gar keine gab. Eines Tages rutschte sein Pferd in einem Reisfeld aus. Karmapa sah dies als ein schlechtes Omen. Er beschloss, Rast zu machen und verbrachte an dieser Stelle den Rest des Tages und die Nacht. Bald darauf zerfielen seine Schuhe. Es war Winter und es schneite; die Haut an seinen Füssen riss auf und er musste einen Platz suchen, um Rast zu machen. Karmapa traf auf eine Familie, die ihn aufnahm. Sie gaben ihm Essen und Unterkunft und behandelten ihn sehr gut. Er blieb bei der Familie, bis die Wunden an seinen Füssen geheilt waren. Dann machte sich Karmapa wieder auf den Weg. Er hatte keine Tasse und jemand gab ihm eine zerbrochene Holztasse, die mit etwas Schnur zusammengehalten wurde. Jemand anders gab ihm einen Schal, um seine Schultern zu bedecken. Karmapa füllte die Holzschale mit Erde und mischte etwas Butter hinzu. Diese teigähnliche Masse klopfte er flach auf den Boden der Schale und zeichnete dann in diese Fläche ein Bild, das eine Szene aus einem der früheren Leben des Buddhas (aus den Jataka-Geschichten) darstellte. Es stellte die Begebenheit dar, in der Buddha als Prinz seinen Körper einer hungrigen Tigermutter schenkte2. Karmapa kam zu einer Retreat-Stelle, dem Haustempel eines Sakya-Lamas.3 Der Lama war überglücklich, denn er hatte Karmapa erkannt und er bat ihn zu bleiben. Karmapa blieb für einige Zeit in dem Tempel, rezitierte Sutras und schrieb Gedichte über die zwölf Taten des Buddhas. Später kam er in der Nähe eines Dorfes bei der "Weißen Stupa Chinas" vorbei. Ein Tee-Verkäufer aus dem Dorf bot ihm eine Packung Tee-Blätter an. "Das ist sehr hilfreich", sagte ihm Karmapa. Zurück im Dorf erzählte der Tee-Verkäufer den Dorfbewohnern, dass er einen Bettler getroffen habe, der wohl außergewöhnlich war. Als Karmapa in eine Gegend namens Bo kam, fühlten die Leute, dass er besonders war. Sie respektierten ihn, obwohl er wie ein Bettler wirkte. Kommentar von Be Lotsawa: In der Zwischenzeit wusste die Wiedergeburt des 6. Shamarpa - mittlerweile ein Junge - durch seine Weisheit, dass Karmapa kommen würde, um ihn zu finden. Er schickte einen Verwandten, um Karmapa abzuholen und ihn dann seinem Geburtsplatz in einer Gegend namens Machu zu treffen. Karmapa überschritt den großen Fluss Ngo Cho und kam in Jobri an. Er baute dort einen kleinen Tempel und eine große Gebetsmühle. Dann ging er weiter nach Zirka Lhamo Darthang. Dies war der Platz, an dem ein berühmter Dharma-Thron eigens für öffentliche Belehrungen gebaut worden war. Er bestand aus Ziegeln und Steinen. Als Karmapa Mar Yul in Golok erreichte, erwartete ihn der bereits zuvor angekommene junge Shamar Tulku.4 Das Kind verbeugte sich vor Karmapa und schenkte ihm eine Perlen-Mala. Dann lud er Karmapa in sein Elternhaus ein, welches auf einem Feld stand, durch das sich ein Fluss in Form des tibetischen Buchstabens "A" schlängelte [Der tibetische Buchstabe "A" repräsentiert die Leerheit]. Das Haus befand genau in der Mitte des Buchstabens. Karmapa erwiderte die Geschenke der Jungen und seiner Familie. Einfügungen in runden Klammern und Fußnoten von Shamar Rinpoche Einfügungen in eckigen Klammern und Übersetzung aus dem Englischen durch die Redaktion Übersetzung des Buchauszugs mit freundlicher Genehmigung von Bird of Paradise Press Fotos von Marcin J. Muchalski |
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