Die Meditation auf den 16. Karmapa16. Gyalwa Karmapa Rangjung Rigpe DorjeDiese Belehrung des 16. Karmapa wurde bereits vor über 30 Jahren gegeben, kurz vor seinem dem Tod. Tonaufnahmen davon kursierten seitdem in unseren Zentren, aber es kam nie zu einer Veröffentlichung. Bereits in den 90er Jahren hatte die "Buddhismus Heute"-Redaktion Hannah Nydahl gebeten, eine Übersetzung anzufertigen, sie fand jedoch leider nie die Zeit dafür. Es scheint, dass erst jetzt die Zeit für einen Abdruck reif geworden ist - ähnlich einem Terma, einem "verstecken Dharma-Schatz". Michaela Fritzges aus Kiel und Manfred Seegers aus Hamburg nahmen sich 2010 mit dem Segen von Lama Ole Nydahl des Projektes an. Diese Erklärungen des 16. Karmapa beziehen sich auf die Originalversion der Meditation, wie sie auch in einer Sonderausgabe 1999 anlässlich des ersten Besuches des 17. Gyalwa Karmapa Thaye Dorje im Westen veröffentlicht wurde. Den Wünschen des 16. Karmapa entsprechend hat Lama Ole Nydahl die heutige Version dieser Meditation zeitgemäß und zugänglich für den Westen formuliert.1 Die Sprösslinge der vier Buddha-Zustände Wie es in den Schriften heißt, ist ein Guru, ein Lehrer, die Wurzel für tausend Buddhas. Also spielt der Guru allgemein eine überragende Rolle für die eigene Verwirklichung. Die Buddhanatur durchdringt alle Lebewesen. Entsprechend den Sutras und der Praxis der "Erleuchteten Geisteseinstellung" arbeitet man für die Befreiung der Wesen, wobei es viele Weltzeitalter dauert, den Zustand der Erleuchtung zu erlangen. Nach den Tantras besteht die Praxis aus einer direkten Erkenntnis des eigenen innewohnenden Potenzials oder der eigenen Verkörperung der "Drei Vajras", der unzerstörbaren Natur von Körper, Rede und Geist. Zuerst, wenn man sich darauf ausrichtet, selbst ein Lehrer zu werden, besteht die Einstellung darin, das Verständnis davon zu entwickeln, dass Leiden all die zahllosen Lebewesen durchdringt. Auf der Grundlage dieser Einsicht möchte man alle Lebewesen von ihrem Leid befreien. Die eigene Verkörperung der Buddhanatur zeigt einem die Möglichkeiten, das auch zu tun. Daher möchte man, solange bis alle Lebewesen befreit sind, im Kreislauf der Existenz verweilen, um zum Besten der Wesen zu arbeiten. Solch eine wahre "Erleuchtete Geisteseinstellung" bedeutet auch, dass man wünscht, einen vollkommenen Austausch mit anderen zu haben, indem man den Wesen all das eigene Glück gibt und all ihr Leid auf sich nimmt. Dies beinhaltet auch die Entschlossenheit, das Vertrauen und den Mut, dass man dazu fähig sein wird, alle Wesen zu befreien. Diese Einstellung basiert auf der Kraft des innewohnenden Potenzials und der Kraft der "Erleuchteten Geisteseinstellung". Die Erfahrung des Erwachens, die Verwirklichung des Wahrheitszustandes, des Dharmakaya, findet auf der Grundlage des innewohnenden Potenzials und des Entwickelns der "Erleuchteten Geisteseinstellung" statt. Nachdem man den Wahrheitszustand erlangt hat, sind die erleuchteten Aktivitäten zur Befreiung der Lebewesen spontan. An diesem Punkt wünscht man nicht mehr, die Kraft für die Befreiung der Lebewesen zu besitzen, sondern diese Kraft drückt sich spontan aus. Es ist eine natürliche Qualität des Wahrheitszustandes, eine spontane, alles durchdringende Aktivität der Erleuchteten. Der Wahrheitszustand ist tatsächlich unvorstellbar, jenseits von Begriffen, jenseits von Erklärungen in Worten und Gedanken. Wenn man fragt, ob dieser Zustand tatsächlich existiert oder nicht, so ist es nicht möglich, zu sagen, dass er existiert. Aber man kann auch nicht sagen, dass etwas Derartiges nicht stattfindet, denn der erleuchtete Zustand des Dharmakaya durchdringt alle Wesen, ist aber gleichzeitig jenseits von Gedanken, jenseits von allen extremen [Anschauungen]. Er ist jenseits von allen Bezugspunkten. So ein Wahrheitszustand der Erleuchtung ist jenseits von gewöhnlichen Begriffen oder Erklärungen. Er geht jenseits der "Vier Extreme" und der "Acht geistigen Schöpfungen". Die natürliche Eigenschaft des Wahrheitszustandes ist "Großes Mitgefühl" für alle Lebewesen. Die erwachte Energie durchdringt alles und arbeitet zum Besten aller Wesen. Trotzdem ist sie jenseits gewöhnlicher Wahrnehmung und Vorstellung. Sagt man, dass sie nicht in der achtfachen Gruppe von Bewusstsein vorhanden ist, dann ist dies nicht wahr, denn sie durchdringt alle Lebewesen. Aber auch wenn sie in der achtfachen Gruppe von Bewusstsein gegenwärtig ist, geht sie jenseits der Wahrnehmung gewöhnlicher Wesen; sie ist völlig jenseits von begrifflichen Geisteszuständen. Weiterhin manifestiert sich durch die Kraft des Wahrheitszustandes ganz natürlich der Freudenzustand oder Sambhogakaya. Innerhalb der vier Buddhazustände entsteht die Manifestation des Freudenzustandes auch nicht durch eine Art von Plan oder durch einen bestimmten Gedanken so wie der Wunsch, sich zu manifestieren, sondern es ist ein natürlicher, spontaner Ausdruck der Kraft des Wahrheitszustandes, der in der Form des Freudenzustandes erscheint. Durch die spontane Kraft und den Segen des Freudenzustandes manifestiert sich wiederum der Ausstrahlungszustand oder Nirmanakaya, um den Wesen zu nutzen, speziell um ihnen dabei zu helfen, alle Verwirrung und Neurosen loszuwerden. Die Kraft des Wahrheitszustandes kann mit der Kraft der Sonne verglichen werden, und der Freudenzustand entspricht den Sonnenstrahlen. Die Wärme der Sonnenstrahlen, die wir auf unserem Körper spüren, ist dann wie die Kraft des Ausstrahlungszustandes. Sogar wenn die Wesen unter dem Einfluss von Verwirrung stehen, können sie von dem Segen des Ausstrahlungszustandes durchdrungen werden. Wenn man fragt, ob diese drei Zustände gleich sind oder nicht, dann ist die Antwort, dass sie mit Sicherheit gleich sind, denn genauso wie in dem Beispiel ist ihre Natur wie die Sonne, die der Wahrheitszustand ist. Auch wenn es verschiedene Zustände gibt, so wie die Sonne, die Sonnenstrahlen und die Kraft der Sonnenstrahlen, so sind sie im Wesen nicht verschieden, nicht unterschiedlich von der Sonne. Ob man vom Gesichtspunkt der Natur aus darauf schaut oder vom Gesichtspunkt der Wirkung dieser Natur, in Bezug darauf, dass sie die Sonne sind, sind sie gleich. All dies ist von seinem Wesen her der Wahrheitszustand. Die Untrennbarkeit der drei Buddhazustände auf der Grundlage des Wahrheitszustandes nennt man den Essenzzustand, den Svabhavikakaya oder Vajrakaya. Und der Guru ist die Verkörperung oder das Zusammenkommen der vier Zustände. Dieser besondere Guru Yoga wird auch "Die Sprösslinge der vier Buddhazustände" genannt. Der Name zeigt den Zweck dieser Praxis. Da die letztendliche Natur des Lamas der Wahrheitszustand ist, könnte man auch sagen, dass diese Natur die Untrennbarkeit von Leerheit und Erscheinung ist. Dies wird durch das OM SOBHAVA-Mantra am Anfang ausgedrückt. In der eigentlichen Praxis wird gesagt, dass aus dem Spiel des Bereichs der Erscheinungen heraus, der frei von geistigen Schöpfungen und ungeboren ist, vor einem im Raum ausgedehnte Wolken von Gaben entstehen. Wenn hier über den leeren, grenzenlosen Raum gesprochen wird, bräuchte man möglicherweise weitere Erklärungen. Für die Praxis des Guru Yoga sollte man eigentlich eine Menge an Vorbereitungen machen. Seine Heiligkeit kann gut nachempfinden, dass es nicht so leicht ist, die Praxis zu machen. Aber der grundlegende Punkt ist, den Lama in der gerade erklärten Weise zu verstehen. Der leere Bereich der Erscheinungen wird mit dem Raum verglichen. Man sollte diesen Raum mit der Wolke von Gaben des [Bodhisattva] Samantabhadra auffüllen, was wiederum viele ausgedehnte Erklärungen beinhaltet. Kurz, es gibt drei Arten von Gaben: Die äußeren, inneren und letztendlichen Gaben. In Bezug auf die äußeren und inneren Gaben können wir uns alle Arten von angenehmen Dingen vorstellen, ob sie gelehrt wurden oder nicht. Die Vergegenwärtigung des eigenen Wurzellamas geschieht folgendermaßen: Es gibt einen schönen Thron, der von acht Löwen getragen wird. Darauf erscheint ein tausendblättriger, rot-weißer Lotus. Darauf liegt traditioneller Weise eine Sonnen- und eine Mondscheibe; aber in diesem besonderen Fall gibt es nur einen Mond-Sitz, der die ungeborene Natur von Freude-Leehrheit symbolisiert. Auf diesem Sitz erscheint in einem Augenblick der eigene Wurzellama, majestätisch und strahlend. Er ist die Verkörperung der "Drei Wurzeln", Lama, Yidam und Schützer, sowie die Tatkraft aller Buddhas. Wenn man zu diesem besonderen Zeitpunkt auch nur für einen einzigen Moment unbedingtes Vertrauen und Offenheit entstehen lassen kann, nur für den Moment eines Fingerschnippsens, könnte dies die Ursache für eine unermessliche Ansammlung von verdienstvollen Qualitäten sein. KARMAPA CHENNO Schließlich löst sich der Lama [in Licht] auf und verschmilzt mit einem. Und man ruht in der Untrennbarkeit des Lamas mit dem eigenen Geist. Man verweilt in diesem meditativen Zustand. Dann, wie vorher schon gesagt wurde, ist der Lama die Verkörperung der vier Buddhazustände. Das Erlangen dieses Zustands der Erleuchtung entsteht durch die Kraft der "Erleuchteten Geisteseinstellung", dass man wünscht, alle Lebewesen zu befreien, dass man solange, bis alle Lebewesen befreit sind, im Kreislauf der Existenz bleibt und alle Lebewesen zur Befreiung führt. Nachdem man wieder die Untrennbarkeit mit dem eigenen Lama erfahren hat, sollte man die gleiche kraftvolle Einstellung haben, dass man fortan auch dazu fähig ist, alle Lebewesen zu befreien und dass man, bis alle Lebewesen befreit sind, in der bedingten Welt verweilt. Man wünscht, dass man dazu fähig sein möge, die Verantwortung dafür zu übernehmen, die Lebewesen zu befreien, selbst wenn es nur ein einziges ist. Also man entwickelt wieder diesen Wunsch, nun im Sinne der Widmung. In dieser Weise schließt man die Praxis ab. Dies ist eine sehr kurze Erklärung, und Seine Heiligkeit wird jetzt die Autorisation für die Praxis geben, den Lung. S.H. der 16. Gyalwa Karmapa Rangjung Rigpe Dorje Gyalwa Karmapa gilt als der erste bewusst wiedergeborene Lama Tibets. Er verkörpert die Tatkraft der Buddhas und ist das Oberhaupt der Karma Kagyü Linie. Rangjung Rigpe Dorje floh 1959 aufgrund der chinesischen Besatzung aus Tibet. Von seinem neuen Sitz in Rumtek (Sikkim/Indien) aus sicherte er das Weiterbestehen der Karma-Kagyü-Linie. Lama Ole Nydahl und seine im Jahr 2007 gestorbene Frau Hannah begegneten ihm auf ihrer zweiten Reise in den Himalaya und wurden seine ersten westlichen Schüler. Nach Jahren des Studiums der buddhistischen Lehren und Meditationspraxis beauftragte er sie, in seinem Namen Zentren rund um die Welt zu gründen. Rangjung Rigpe Dorje war der erste Karmapa, der auch im Westen lehrte. Er starb 1981 in der Nähe von Chicago. |
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