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BUDDHISMUS HEUTE
Aus: Buddhismus Heute Nr. 45, (Sommer 2008)

Diamantweg im "Heiligen Land"

60 Jahre Israel

Igal, Du hast Lama Ole zum ersten Mal nach Israel eingeladen hat. Wie kam es dazu?

IGAL: Ich tat, was normalerweise jeder Israeli nach zwei oder drei Jahren Wehrdienst macht - eine Reise ins Ausland. Meistens reisen wir Israeli gerne in die USA, den Fernen Osten oder nach Südamerika, um etwas Geld zu verdienen, die Welt zu sehen und unseren Horizont zu erweitern oder beides. Ich entschied mich, nach Russland zu gehen, nach Moskau.

Zwei Jahre später und um einige unklare Resultate aus verschiedenen interessanten Geschäftserfahrungen reicher, traf ich 1997 Lama Ole und den Buddhismus in Moskau. Nach der Begrüßung durch die ganze Moskauer Sangha am Flughafen schaute sich Ole das gerade frisch erworbene Zentrum an, und größere Renovierungsarbeiten sollten gerade beginnen.

Ungefähr 50 Menschen drängten sich in einem kleinen Zimmer und Ole erzählte uns von der Entwicklung und dem schnellen Wachstum der Diamantweg-Buddhismus-Zentren weltweit. Aus Neugier fragte ich ihn, ob er beabsichtige, auch in Israel Zentren zu gründen, und er antwortete mit einer Gegenfrage: "Wirst Du meine Bücher ins Hebräische übersetzen?" Eine solche Antwort hatte ich nicht erwartet und sie traf mich unvorbereitet. Meine mir durch Röte ins Gesicht geschriebene Verunsicherung sowie mein unzusammenhängendes Gemurmel sorgten für Erheiterung und Gelächter der Anwesenden. Aber wie auch immer, von diesem Moment an war alles nur noch eine Frage der Zeit.

Nach vier inspirierenden Jahren in Russland, in denen ich mein Marketing-Studium abschloss und erkennen musste, dass ich durch meine Geschäfte kein Millionär geworden war, wurde mir klar, dass mit Lama Ole zusammen das Leben und auch der Tod aufregender sein könnten. Ich beschloss, nach Israel zurückzugehen und alles dafür zu tun, Lama Oles ersten Besuch dort möglich zu machen. Um Geld für die Vorbereitungen zu verdienen, ging ich aber erst einmal für drei Monate nach Australien. Obwohl ich das überhaupt nicht so geplant hatte, erfuhr ich noch in den Tagen meiner Abreise, dass Lama Oles Vortragstour in Australien während meines Aufenthaltes dort beginnen würde.

Als wir uns dann in Australien trafen, erfuhr ich von Tomek, dass Ellen Sokolov - eine amerikanische Schülerin von Lama Ole mit jüdischem Ursprung - ihn bereits nach Israel eingeladen hatte. Alles geschah genau, wie es sein sollte: die Finanzierung, die Verbindungen, Ellens Hilfe und meine Bekanntschaft mit ihr brachten eine kollegiale und bereichernde Arbeitsbeziehung hervor. So wurde in bestmöglicher Weise die Grundlage für Lama Oles ersten Besuch in Israel im Jahre 1999 geschaffen.

Wie ging es dann weiter, wie wuchs der Diamantweg in Israel? Wie oft kam Lama Ole seither nach Israel und was waren seine Aktivitäten?

IGAL: Schon in den acht Monaten zwischen meiner Rückkehr und Lama Oles erstem Besuch kamen die ersten Dinge in Bewegung.

1999 gab es noch keinerlei Praxis des tibetischen Buddhismus in Israel. In den Buchläden gab es noch nicht einmal eine spirituelle Abteilung. In der Abteilung über Religionen, die gerade anfing populär zu werden, fand man, außer zwei Büchern von Osho (Bhagwan Shree Rajneesh), keine andere Literatur. Einen Besuch von Ole im ganzen Land vorzubereiten, also in vier Städten mit möglichst gefüllten Vortragshallen, beinhaltete ein großes Maß an Logistik. So inspirierend, aufregend und wichtig diese Mission auch war, so war es mir doch unmöglich, das alleine zu bewerkstelligen.

Aber zum Glück kam einige Zeit nach meiner Rückkehr ein anderer Schüler von Ole nach Israel. Über gemeinsame Freunde hatte er mich schon in Australien per Email kontaktiert. Wir wussten beide, dass es mehr Schüler von Ole gab, die erst vor Kurzem nach Israel immigriert waren, einzeln und unabhängig von einander. Sie kannten sich nicht und jeder von ihnen hielt sich für den einzigen Buddhisten in Israel. Aber ohne die Meditation in der Sangha, ohne ein spürbares Kraftfeld, aus dem sie Kraft und Inspiration für die schwierigen Momente in einem neuen Land mit noch fremder Sprache schöpfen konnten, hörten sie im Laufe der Zeit dann zu meditieren auf. Ihre regelmäßige Praxis und ihre Verbindung zum Dharma wurden immer schwächer.

Deswegen schrieben wir einen Brief an all unsere Zentren in der Welt und baten um Informationen über diese Schüler. Es funktionierte: Nach einigen Tagen bekamen wir Adressen und Telefonnummern von drei Schülern von Lama Ole. Wir kontaktierten sie sofort, trafen aber nur zwei von ihnen, da der dritte bereits Trost in einem jüdischen Kabbala-Zentrum gefunden hatte. Von den beiden schaffte es wiederum nur einer, die erste in einer Gruppe abgehaltene "16. Karmapa-Meditation" mitzumachen. Wir wollten die Teilnahme für jeden so leicht wie möglich machen und beschlossen, dass die Meditation in der Mitte des Landes in einem Kibbuz, in dem einer von uns lebte, stattfinden sollte. Dieser Freund dort hatte jedoch sehr fröhliche und laute Zimmergenossen und so mussten wir in einen ruhigen Orangenhain in der Nähe des Kibbuz ausweichen. Ich erinnere mich, wie aufgeregt wir alle darüber waren, nun zum ersten Mal in Israel die 16. Karmapa-Meditation zu machen. Nach der Meditation und unseren starken Wünschen für die Kraft von Oles Aktivität in Israel hatten wir alle feuchte Augen.

Bei Oles Ankunft gab es sieben Sangha-Mitglieder und zu seinen öffentlichen Belehrungen kamen nicht mehr als 60 bis 70 Menschen. Das ermöglichte es jedem von uns, Ole sehr nahe zu sein, was heutzutage in Europa und anderen Stellen, an denen Diamantweg- Buddhismus seit vielen Jahren etabliert ist, als Luxus gilt.

Oles Besuch fand zu einer relativ ruhigen Zeit statt, in der die Spannungen zwischen Arabern und Juden noch nicht so stark waren. Ole besuchte auch die Altstadt Jerusalems, die in vier Viertel aufgeteilt ist: moslemisch, jüdisch, christlich und armenisch. Auf einem hochgelegenen Aussichtspunkt beschrieb Ole mit Leichtigkeit die Schwingungen und Kraftfelder über bestimmten Orten und Teilen der Stadt. Es war faszinierend und beeindruckend, einen Einblick in seine Fähigkeiten zu erhaschen.

Später gingen wir alle zum Tempelberg, der unter moslemischer Verwaltung steht. Dort befindet sich die berühmte Al-Aksha-Moschee, bekannt als der drittwichtigste Platz des Islams weltweit. Nur vier Jahre zuvor war das Oslo-Abkommen zwischen Israel und den Palästinensern geschlossen worden und der Besuch dort war zu dieser Zeit ziemlich sicher. Der Platz, an dem die die Frauen beten durften, war natürlich vom Gebetsplatz der Männer getrennt und außerhalb der Moschee. Die Männer durften zwar die Stelle der Frauen besuchen, die Frauen durften aber die Moschee nicht betreten. Wir beschlossen, die Frauen während ihres Gebetes zu Allah zu besuchen.

Wir folgten Lama Ole durch einen engen in den Fels geschlagenen Tunnel. Er war so eng, dass man nicht nebeneinander her gehen konnte. Am Ende kamen wir zu einer kleinen und dunklen Höhle, die auch aus dem Fels herausgeschlagen worden war. Auf dem Boden dort drängten sich ungefähr 100 Frauen, einem Platz, der eigentlich gerade mal die Hälfte von ihnen fassen konnte. Die Stimmung war so schwer und hart, dass wir kürzester Zeit wieder durch den Tunnel die Stufen hoch zurückrannten. Oben, als wir alle wieder draußen waren, fragte ich Lama Ole, warum er nach kaum 20 Sekunden schon wieder so schnell von dort weg wollte. Er antwortete, dass der Anblick der leidenden Frauen - zusammengepackt wie die Sardinen, ohne eine Möglichkeit ihnen helfen zu können - nicht leicht zu ertragen war.

Danach gingen wir in die eigentliche Moschee, die Frauen unserer Gruppe mussten allerdings draußen bleiben. Ole ging einfach durch die riesige Halle und rezitierte dabei Mantras. Es war sowohl belustigend als auch beeindruckend, ihn dabei zu beobachten - in einer Moschee, in der viele gewalttätige Dinge geschehen waren und zu Gewalt und Mord aufgerufen worden war. Wie schon früher, gilt dieser Platz auch heutzutage als ein Pulverfass, das der kleinste Funken zum Explodieren bringen kann. Allein schon der Besuch eines Israelis oder eines aus einem als pro-Israel geltenden Landes stammenden Touristen auf dem Tempelberg kann zu Ausbrüchen von Gewalt an der Moschee und weiteren Ausschreitungen in den Palästinensergebieten führen.

Und da standen wir, eine kleine idealistische Gruppe - an genau dem Platz, von dem aus zu so vielen Terrorakten in Israel angestachelt worden war. An dieser drittheiligsten Stelle des Islam ging Lama Ole umher, als sei er völlig zu Hause, entspannt und furchtlos, wie man ihn kennt und sagte unverhohlen und deutlich Mantras (soviel ich mitbekam, war es nicht "Om mani peme hung"), direkt vor den Augen der frommen, betenden Moslems, die uns nicht gerade freundlich anstarrten. Alles ging friedlich zu und es wurde kein weiterer Krieg zwischen Israel und den Palästinensern entfacht (Igal lacht). Für mich als israelischen Schüler von Lama Ole war das ein unvergesslicher Eindruck. In diesem Moment war ich sehr glücklich, genau diesen besonderen Lama und keinen anderen gefunden zu haben.

Da wir noch keine eigene Stelle hatten, lud uns nach Lama Oles erstem Besuch Ellen Sokolov, die für diesen Besuch gespendet hatte, ein, ihre Reiki-Praxis für unsere wöchentlichen Meditationen zu benutzen. Die ganze israelische Sangha, damals waren es fünf bis sieben Leute, bemühte sich, einmal in der Woche nach Tel Aviv zum Meditieren zu kommen. Im Laufe der Zeit entstanden in fünf Städten Sanghas: Tel Aviv, Beer-Sheva, Jerusalem, Haifa im Norden, Eilat im Süden.

Lama Ole kommt einmal im Jahr für eine Vortragsreise in die vier größten Städte oder für einen Kurs nach Israel. Der Segen, die Inspiration und die Aktivität, die er bei seinem ersten Besuch im Dezember 1999 hier hinterließ, wurden mit jedem Besuch stärker und sind in den fünf aktiven Zentren und ihren zusammen etwa 70 Freunden sichtbar. Lama Oles wichtigste Bücher wurden ins Hebräische übersetzt und heute wird diese wichtige Übersetzungsarbeit unter der Leitung von Uri Schwartz aus Eilat auf höherem Niveau als je zuvor gemacht.

Man kann ohne Zweifel sagen, dass dem Diamantweg beachtlicher Verdienst zukommt, für Klarheit und Auflösung von Vorurteilen und Missverständnissen über Buddhismus in der allgemeinen Öffentlichkeit Israels gesorgt zu haben. Dazu tragen auch unsere Internet-Seite und unsere verständlichen Informationen und Artikel über Buddhismus in hebräischer Sprache auf dem hebräischen Wikipedia bei.

Organisatorisch haben wir eine offene meritokratische Struktur, die es jedem Interessierten ermöglicht, bei der Entwicklung des Dharma dort mitzuhelfen, wo er gerne möchte. Die Struktur dieses Mandala umgeht Bürokratie und bietet transparente Verantwortlichkeitsbereiche, die für jeden klar sind. Vor allem werden in hohem Maße Kommunikationsprobleme und unnötige Konflikte in der Sangha neutralisiert. Diese Struktur spiegelt Lama Oles Prinzipien wieder: neue Leute können jederzeit mitmachen. Die "Veteranen" machen Platz für die neuen Leute, während diese die Erfahrung und den Rat der Veteranen respektieren.

Uri, was sagte Lama Ole zur besonderen Situation des Diamantweg-Buddhismus in Israel in Anbetracht der speziellen Situation des ganzen Landes?

URI: Lama Ole sagte, dass Israel die undankbare Aufgabe habe, an der Front für unsere westlichen Werte und Gesellschaften zu kämpfen. Wenn er dann zu Pazifismus und Buddhismus gefragt wurde, antwortete er zum großen Erstaunen des Publikums, dass wir natürlich unser Land gegen unsere "freundlichen" Nachbarn verteidigen müssen. Er sagte, dass Buddhismus realistisch bezüglich der Notwendigkeit zu kämpfen, das Problem jedoch Handlungen aus Zorn und Hass seien. Deswegen, sagte er, sei es wichtig im Geist zu halten, dass auch dein Feind die Buddha-Natur habe. Man müsse ruhig und mitfühlend bleiben, selbst wenn man auf ihn schießen müsse.

Ist es von Seiten der orthodoxen Juden schwierig, Buddhismus in Israel zu etablieren?

URI: Die Orthodoxen machen weniger als 7 % der israelischen Gesellschaft aus und sind in vielen Bereichen des Lebens nicht im Geringsten von Bedeutung. Sie dienen nicht in der Armee, sind eine Last für die Wirtschaft und profitieren vor allem von den politischen Verbindungen der linken und rechten Parteien. Sie leben unter uns wie früher in den europäischen Ghettos und klammern sich an ihre Traditionen, als sei die Zeit seit Jahrhunderten stillgestanden. Damit aber Buddhismus hier aufgebaut werden kann, müssen wir beweisen, dass er dieser dynamischen und ständig bedrohten Gesellschaft, die weder orthodox noch überhaupt religiös ist, entspricht. Ich denke, dass Lama Ole mit seinen westlichen Idealen, seiner realistischen Sicht dem Islam und dem Laien-Buddhismus gegenüber, für Israelis sehr attraktiv sein kann. Die Frage ist, ob unsere örtlichen Sanghas eine Modell sein werden, mit dem man sich identifizieren möchte, und das liegt völlig in unseren eigenen Händen und außerhalb des Einflussbereiches der Orthodoxen.

Stimmt es, dass religiös aufgewachsene Juden ein Problem damit haben, Buddha-Statuen auf den Altar zu stellen? Woran liegt das?

URI: Korrekterweise sollte die Frage sich nicht auf den Altar, sondern das Thema der Form beziehen. Um das zu verstehen, sollte man etwas über Judentum wissen, einer einzigartigen Übung in der Geschichte des religiösen Geistes. Abraham, der Vater der Nation, wurde ca. 1800 vor Christus in den heidnischen Kulturen Mesopotamiens mit ihrem reichen Pantheon von Göttern geboren. Er war der erste, der gegen die Versklavung des Menschen durch Abgötter rebellierte und brachte das auf, was wir heutzutage Monotheismus nennen.

Seinem formlosen einzigen Gott folgend verließ er sein Haus und seine Heimat und setzte so Maßstäbe für zukünftige Generationen; ein Jude soll keinerlei Form verehren, sein Heim nicht mit irgendeinem äußeren Aspekt, sondern mit seiner Verbindung zu Gott, seiner religiösen Praxis und den Texten identifizieren. Abraham wurde versprochen, dass die aus seiner Nachkommenschaft entspringende Nation göttlichen Schutz und Segen bekommen werde. 4000 Jahre später ist es unbestreitbar, dass das jüdische Volk trotz aller Prüfungen und Tragödien, als einziges all die Veränderungen überlebt hat, die alle anderen Stämme, Nationen, Imperien und Religionen beeinträchtigten. Kein anderes Volk in der Geschichte hat es geschafft, so lange seine Identität zu bewahren, gar nicht erst davon zu sprechen, dass es 2000 Jahre ohne eigenes Land, als Minderheiten in alle Ecken der Welt verstreut, überlebte. Meines Wissens schickten in Indien lebende Exiltibeter Leute nach Israel um zu lernen, wie sie als jetzt ebenfalls Heimatlose ihre Kultur bewahren könnten. Wenn man als Jude aufgewachsen ist, ob religiös oder nicht, ist man stolz darauf, Teil einer besonderen Geschichte zu sein, die dazu beitrug, viele führende Denker, Wissenschaftler und Nobelpreisträger der Welt hervorzubringen. Jesus, Freud, Marx und Einstein, um nur ein paar zu nennen, veränderten nachhaltig den Verlauf der westlichen Zivilisation. Buddhismus ist für den modernen säkularen Juden unter anderem deswegen attraktiv, da auch er betont, dass das Letztendliche außerhalb der Form oder des Erfassbaren liegt. Diamantweg-Buddhismus wiederum, mit seinen vielen Formen, ist eine Herausforderung für unsere Verbindung zur Abstraktion und unser Identitätsgefühl.

Die israelische Sangha besteht vor allem aus ausgewanderten Russen. Wie ist das Verhältnis zwischen ihnen und den Sabras, den geborenen Israelis? Werden die Meditationen in den Zentren noch in Russisch oder jetzt auf Hebräisch geleitet?

URI: Es waren russische Einwanderer, die den Samen für Diamantweg-Buddhismus nach Israel brachten und in den ersten Jahren pflegten. Dafür sind wir alle dankbar und wir schulden ihnen etwas. Ihre Verpflichtung gegenüber Lama Ole und ihr Fleiß in der Praxis waren für uns alle eine Inspiration. Israel ist ein Staat, der aus Einwanderern besteht, aber die russischen Einwanderer, die in den 90ern kamen, eher von Opportunismus als von Idealismus getrieben, haben kaum etwas dafür getan, sich in ihrer neuen Heimat zu integrieren. Innerhalb weniger Jahre kamen fast eine Millionen Menschen und bildeten eine Gesellschaft innerhalb der Gesellschaft, sprechen nur Russisch untereinander, schauen russisches Fernsehen und haben allgemein noch keine neue Identität außerhalb Russlands gebildet. Als Einwanderer, die weder die Sprache sprechen noch ein tiefes Verständnis der Kultur, in der sie leben, haben, sind sie vielleicht nicht die allerbesten Botschafter, um der lokalen Kultur den Buddhismus zu vermitteln. Diamantweg- Buddhismus ist noch jung hier und wirkliche Veränderungen brauchen ihre Zeit.

Lama Ole sagt oft, dass der erste Schritt eines Menschen in ein Zentrum sehr schwer sei. Wenn so jemand dann der einzige Neue unter den Veteranen, der einzige noch Zweifelnde unter den schon Überzeugten und obendrauf auch noch der einzige Israeli unter Russen ist, dann hat er vielleicht niemanden, um den Schock zu mildern, niemanden um zu kommunizieren und sich mit zu identifizieren und kommt dann wahrscheinlich nicht wieder. Die russische Sangha hat jetzt volles Verständnis dafür und als Bodhisattvas versuchen sie Oles Rat, in den Zentren hebräisch zu sprechen, zu folgen. Hoffentlich finden mehr Israelis ihren Platz in den Zentren und ich bin sicher, dass jeder Nutzen von der Vielfalt dort haben wird.

Wie haben die Zentren im Norden des Landes den Libanon-Krieg 2006 erlebt? Ich habe einmal mit dem Haifa-Zentrum telefoniert, als sie gerade unter Katyuscha-Beschuss ein Retreat in der Stadt hatten...

AYA: Im Sommer 2006 wurden an der Grenze zum Libanon zwei israelische Soldaten von der Hisbollah entführt. Die Hisbollah ist eine radikal-islamische Terror-Organisation im Libanon, die wirtschaftlich und spirituell von Iran unterstützt wird. Ein Krieg brach aus und Nord-Israel lag ungefähr sechs Wochen lang Tag und Nacht unter Raketenbeschuss. Diese Angriffe waren gegen die Zivilbevölkerung - vor allem gegen die Stadt Haifa mit ihren großen Raffinerien, gerichtet, in der Absicht, so viele Menschen wie möglich zu töten und so viel wie möglich zu zerstören. Die Menschen wurden aufgefordert, in den Schutzräumen zu bleiben.

Nach dem ersten Schock beschlossen die Freunde hier in Haifa, dass das Zentrum für jeden, der meditieren wollte, geöffnet bleiben sollte und dass unser Meditationsprogramm - drei Mal die Woche - weitergehen würde.

In Haifa und überall im Norden saßen die Menschen in unterirdischen Bunkern, aber die meisten Mitglieder der Haifa-Sangha fühlten sich in der Gompa vor der Zuflucht am wohlsten. Mehr als einmal liefen Meditationen, während wir unter Beschuss lagen. Draußen heulten ohrenbetäubend laute Sirenen, und wir hörten Explosionen nah und fern.

Viele würden wohl zu Recht sagen, dass dies eine vorzügliche Gelegenheit war, den eigenen Geist anzuschauen. Was gab es da zu sehen? Verwirrung? Und ob! Sorge um nahestehende Menschen und Angehörige? Auch das. Der Wunsch, dass es bald vorbei sein werde? Natürlich, auch das.

Aber für uns in der Haifa-Sangha gab es auch etwas anderes: ein tiefes Vertrauen in den Lama, ein Wissen und völliges Vertrauen darin "gut gerüstet" zu sein; dazu die Dankbarkeit, von ihm die Mittel erhalten zu haben, unter solch widrigen Umständen praktizieren zu können.

Freunde aus der Sangha erzählten, dass sein Kraftfeld, sein Schutz und sein Segen stark und beständig da waren - und stärker denn je gespürt wurden. Das Haifa-Zentrum ist aktiv und stabil und die meisten Freunde hier sind gerade dabei in unterschiedlichen Stadien ihre Grundübungen zu machen.

Wie oft habt Ihr Reiselehrer in Israel?

IGAL: Im Durchschnitt kommen neben Oles alljährlichen Besuchen, drei bis vier Reiselehrer. Ungefähr alle drei oder vier Monate bereichert uns ein Lehrer, gibt uns Inspiration und zeigt weitere Aspekte und die Tiefe von bekannten Vortragsthemen.

Gibt es bereits israelische Dharma-Lehrer?

IGAL: Auf dem Mahamudra-Kurs 2005 bat Ole in einer völlig überfüllten Vortragshalle einen unserer Freunde zu lehren. Die ganze Sangha war glücklich, denn er stand uns allen sehr nahe. Es gab niemanden, der ihn nicht mochte. Er hatte jedoch in diesem Leben nur Zeit für einen einzigen Vortrag als Lehrer, denn er starb kurze Zeit später bei einem tragischen Arbeitsunfall.

Wir sind eine recht kleine und junge Sangha im Prozess der Entwicklung. Wir genießen sehr die verschiedenen Reiselehrer, die uns besuchen, und ich denke, dass im Laufe der Zeit hervorragende Lehrer aus der israelischen Sangha heranwachsen werden. Solche Leute werden vorzügliche lokale Beispiele sein und den einzigartigen Stil des Diamantweg-Buddhismus in bestmöglicher Weise verkörpern.

Gibt es Pläne, tibetische Lehrer nach Israel einzuladen?

IGAL: Einer unserer Freunde hatte die Idee schon mal aufgebracht. Als diese Frage an Ole und Caty gestellt wurde, war ihre Antwort dazu, dass, wenn die Zeit dafür reif ist, Ole selbst und wissen lassen würde, was zu tun sei.

Habt ihr besondere Pläne für die Zukunft? Wollt Ihr zum Beispiel einmal ein Retreatzentrum starten?

IGAL: Natürlich. Aber zunächst müssen wir noch die existierenden Stadtzentren richtig aufbauen. Außer dem Zentrum in Beer Sheva, treffen sich alle Diamantweg-Gruppen in gemieteten Wohnungen und die Sangha steht immer noch in der Anfangsphase ihres Wachstums. Dank der Großzügigkeit und der Findigkeit einiger Freunde konnte für das Beer-Sheva-Zentrum ein Haus gekauft werden. Es gibt dort immer noch viel Renovierungsarbeit, aber es geht voran. Wenn neue Mittel zur Verfügung stehen, wollen wir erst einmal den Bau beenden oder ein anderes Haus für ein Zentrum in einer anderen Stadt kaufen. Die Arbeit und Entwicklung dient im Moment vor allem dazu, geeignete Bedingungen für die Menschen in den Städten zu schaffen. Ein Retreatzentrums-Projekt zu starten ist eine Frage von Zeit und den richtigen Bedingungen, aber das wird, wie alles, zur richtigen Zeit heranreifen.


Interview geführt von Detlev Göbel
Aus dem Englischen von Detlev Göbel und Claudia Knoll

Igal Orlovsky 35 Jahre alt, studiert chinesische Medizin. Er nahm 1998 bei Lama Ole Zuflucht, lebt mit seiner Frau Tal im Zentrum Beer Sheva, und kümmert sich um die Publikationen der israelischen Sangha. 

Uri Schwartz 43 Jahre alt, lebt im Zentrum Eilat in Süd-Israel. Er nahm 2002 Zuflucht, und hat einige Bücher von Lama Ole ins Hebräische übersetzt. Uri übersetzt auch für Lama Ole bei den Vorträgen in Israel.

Aya Winawer 1958 in Polen geboren, seit 1969 in Israel. Zuflucht 1992 bei Lama Ole, praktiziert seit 2001. Lebt seit 2006 im Zentrum Haifa. 2008 wurde sie zur Präsidentin der israelischen Sangha gewählt. Sie arbeitet in der Krankenpflege.