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BUDDHISMUS HEUTE
Aus: Buddhismus Heute Nr. 45, (Sommer 2008)

Kinder im Dharma

Ein Interview mit Lama Ole Nydahl

 

Macht es einen Unterschied, ob buddhistische oder nichtbuddhistische Eltern ein Kind bekommen und erziehen?
Am wichtigsten ist es, ob hauptsächlich gute oder schlechte Taten - Karmas - die Familie zusammenbringen. Sind sie wie so oft vielseitig, süß wie sauer, hat eine jenseits-dualistisch buddhistische Erziehung sicher die größte Reichweite und entwickelt alle am schnellsten. "Sowohl als auch" sagen zu können statt nur "entweder - oder" ist ein riesiger Reichtum.

Was ist das Wichtigste, was man seinen Kindern für das Leben mitgeben sollte?
Ein grundlegendes Vertrauen in den Sinn des Lebens, ein Verständnis von Ursache und Wirkung und die Sichtweise, dass die Eltern und ihre Werte unerschütterlich sind. Das Bewusstsein, dass jeder nach Begabung die eigene Zukunft im Hier und Jetzt schafft, wird sie zu großzügigen, an andere denkende Menschen heranziehen.

Sollte man Kinder "buddhistisch" erziehen oder lieber warten, bis sie von selbst kommen und Fragen stellen?
Es soll so natürlich wie möglich gehen und ohne Druck. Wenn die Kleinen spüren, dass die Eltern Fragen beantworten können, die andere vermeiden, werden sie von selbst auf sie stolz. Das durchgehende Verhalten der Eltern hat den größten Einfluss auf die Kinder. Da braucht es keinen besonderen buddhistischen Stempel. Oft mögen die Kinder einfach die Meditationszeiten der Eltern und sitzen gerne mit dabei. Später kann man dann erklären, was man tut und warum. Auch Haustiere gesellen sich gerne dazu. Sie mögen die Wellen, die meditierende Hirne ausstrahlen.

Wenn es darum geht, was Buddhismus bedeutet und warum die Eltern keine Christen sind, kommen die Kleinen manchmal in Erklärungsnot. Wie viel "anders sein" als die Spielkameraden im Kindergarten und in der Schule kann man seinem Kind zumuten?
Sie sollen sagen, dass die Menschen Verschiedenes essen, tragen, denken und tun; dass dies ein Gewinn für die Gesellschaft ist, solange die Leute sich benehmen.

Ab wann sollten Kinder Zuflucht bekommen? Macht die Zuflucht überhaupt Sinn, wenn ein Kind noch gar nicht bewusst versteht, um was es geht?
Früh Zuflucht zu nehmen ist ein Schutz und ein Geschenk. Es wird einem ja nichts vorgeschrieben. Oft nehmen die Kinder später noch einmal bewusst Zuflucht oder die Eltern erklären ihnen, was die Namen entwickeln oder wogegen sie vorbeugen.

Ab wann ist es gut für Kinder zu meditieren?
Ab der Zeit, wann sie es mögen.

Welche Art von Meditation sollten sie machen?
Einfache Sachen wie zum Beispiel Mantras. Der 17. Karmapa empfiehlt Shine, also das Festhalten und Beruhigen des Geistes durch die Einstellung auf eine Sache. Das entfernt Zerstreuung und fördert ihre Eindeutigkeit. Sie können sich auch gerne mitunter auf die üblichen Helden einstellen und sich vorstellen, zum Besten aller so zu werden wie sie.

Ab welchem Alter ist es gut, mit den Grundübungen anzufangen?
Wenn sie Lust haben, die Offenheit dafür selbst verspüren. Kinder machen normalerweise nur 10.000 Wiederholungen jeder Übung. Und die Verbeugungen geben erfreuliche Muskeln statt hinderndes Fett. Viele der Kleinen haben sie schon begonnen, aber wir haben noch nie gehört, dass ein Kind die Grundübungen auch abgeschlossen hat. Vertrauen haben sie aber ohne Ende. Viele von ihnen bekommen bei den Phowa-Kursen deutliche Zeichen.

Inwieweit sollen sich die Zentren auf Kinder einstellen?
Das hängt vom Geräuschpegel und den Räumlichkeiten ab. Kinder gehören zur Sangha, aber sie dürfen nicht stören oder den Ablauf des Zentrums bestimmen. Die Aufgabe eines Zentrums ist, ein Meditationsangebot für die Freunde und die Stadt zu geben.

Ist es gut, sie von Anfang an zu integrieren, oder ist es besser abzuwarten, bis die Kinder von selber mehr wissen möchten?
Schaut wie sie es wollen. Die Kinder wissen das am besten selbst.

Sollen Zentren Kindermeditationen und Belehrungen für Kinder anbieten?
Nein, das ist erfahrungsgemäß nicht sinnvoll. Dass die Kinder sich bei Kursen bei der Kinderbetreuung über Jahre kennen lernen, ist schön. Die Freundschaften bleiben oft und die guten Erinnerungen wecken auch später oft den Wunsch, selbst an Kursen teilzunehmen. Viele wollen zum Beispiel wissen, was die Eltern eigentlich jahrelang gemacht haben und warum es ihnen besser geht als ihren nicht-buddhistischen Freunden. Die zweite Generation und Teile der dritten sind bei uns seit 1972 schon voll dabei. Nach langer Beobachtung ohne jeden Zwang haben sie dann nach einigen Jahren der eigenen Suche bemerkt, dass sie sich bei uns Zuhause fühlen. Heute leiten sie Zentren und sind echte Stützen der Arbeit. Ihr alle kennt Philipp von Sys Leube am Schwarzenberg, Alex von Christel und Karl-Heinz Conrad aus Mannheim, Wicki von Ulla Bayer aus Wuppertal.

Wie geht man im Stadtzentrum damit um, wenn Eltern ihre Kinder abends zur Meditation mitbringen? Sollten Eltern abwechselnd zur Meditation kommen oder gemeinsam und das Kind ruhig halten bzw. der Sangha die Geräusche des Kindes zumuten?
Meditationszentren sind für das Entwickeln und Lernen von Vertiefung da, was Ruhe erfordert. Auch bei Vorträgen sollen die Eltern der kleinen Carusos oder Carmens an der Tür sitzen, damit sie die Kinder schnell davontragen können, wenn sie eine "Gesangsübung" anfangen. Auch für die wöchentlichen Begegnungen sollten eine Kinderbetreuung und genügend Abstand wegen Lärmschutz gesichert sein. Erwachsene können während der Meditation abwechselnd auf die Kleinen aufpassen. Manche Kinder sind auch von sich aus ruhig und können gut dabei sitzen.

Wie gehen wir in Kurssituationen mit Kindern um? Sollten sich Eltern besser aufteilen und die nächsten Jahre Erziehungszeit lieber abwechselnd auf Kurse fahren, oder gemeinsam versuchen, dem
Kind und anderen Kursteilnehmern gerecht zu werden?

Ich brauche das hoffentlich nicht zu wiederholen. Ruhe und gesunde, vorausschauende Vernunft sind zusammenzubringen. Das Stören bringt Eltern, Kindern und den von ihnen Gestörten schlechtes Karma. Meine Schüler sind bestimmt erwachsen genug, um das zu verhindern. Aber die Leute sollen wegen des Lärms nicht vom reichen Austausch auf den Kursen abgeschnitten werden. Wenn am Ende Familien mit besonders lebhaftem Jungvolk nur noch per Internet-Streaming an Kursen teilnehmen, wäre das schade.

Profitieren Kinder von diesen Kursen oder überfordert man sie mit den Kurssituationen? Ist es von den Eltern eher egoistisch gedacht, wenn sie Kinder mit auf die Kurse bringen, oder ist es für die Kinder gut, sich im Kraftfeld aufzuhalten, auch wenn sie die Belehrungen gar nicht verstehen?
Ihre eigene Einstellung spüren sowohl die Eltern als auch ihr Umfeld. Sie ist nicht zu verbergen. Wer die Kleinen "abstellen" will, um selbst mal ungestört Urlaub zu feiern, fällt schnell und unangenehm auf. Was die Wirkung der Erfahrung auf ihre Sprösslinge betrifft, denke ich, spüren das die Eltern am Besten. Werden sie unabhängig, haben Spaß und reifen heran, ist das gut. Schließen sie sich ein, nörgeln und laufen den Eltern nach, war es wohl zu früh.

Sollten wir uns bemühen, die Bedingungen für Kinder auf den Kursen zu verbessern?
Wir sollten sicher Lern- und Spielprogramme und Betreuung dort haben, auch zur Entspannung der Eltern. Damit sie wissen, dass es den Kleinen gut geht und dass sie etwas lernen. Die Angebote, die ich in Kassel gesehen habe, gab es zu meiner Zeit bestimmt nicht. Da hat man Soldaten und Indianer gespielt und in den Bäumen geklettert.

Wie sollen die Retreatstellen mit Kindern umgehen? Ist es gut die Kinder zum Retreat mitzubringen, oder versucht man lieber, das Kind während eines Retreats bei Verwandten oder Freunden zu lassen?
Wer ordentlich meditieren will, braucht so wenig Zerstreuung wie möglich. Und was zerstreut mehr als die eigenen Kinder? Für meditative Familien-Urlauber können wir bis jetzt Familienstellen wie Rödby in Dänemark und Amden in der Schweiz anbieten, die Ronald Knaaks hervorragende Lösung der
"Roten Linie" nutzen. Dort gibt es klar getrennte lärmfreie Gebiete für Meditation und Orte, an denen Kinder frei spielen können. Allgemein sollte man die Kleinen nicht frei laufen lassen, wenn das stört. Vertiefung erfordert eine Ruhe, die in der heutigen Welt sehr schwer zu finden ist. Hörschutz hilft selbstverständlich sehr, aber hier haben die Kinder im Hintergrund zu bleiben. Wie es die unterschiedlichen Stellen handhaben, sollte bekannt sein. Die Familien entscheiden dann, auch Freundschaften und Benzinpreisen folgend, wohin sie fahren. Und die Freunde ohne Kinder auch.

Es gibt jetzt viele Paare in der Sangha, die sehr aktiv im Zentrumsleben eingebunden waren und nun für ihren Nachwuchs sehr viel Zeit brauchen. Was ist dein Rat für Eltern in Bezug auf Zentrumsarbeit? Wie findet man am besten die Balance zwischen Aufgaben im Beruf, der Arbeit und dem Zentrum?
Die Gewohnheitswelt frisst einen leicht auf, was bei unserem Wachstum in der Mitte der Gesellschaft aber nicht der Fall sein muss. Die Breite der Aufgaben wächst so sehr, dass jeder ein Feld finden kann, um etwas Nützliches oder sogar Befreiendes zu leisten. Zum Beispiel haben die deutschen Vereine
- schlagende Verbindungen und andere - das System der "alten Herren" erschaffen. Sie wären bei uns die erfahrenen Freunde, die starke Dharmawurzeln haben, viel Lebenserfahrung sammelten und oft Anstellungen oder Beziehungen besitzen, die ihnen erlauben, unsere Arbeit zum Besten aller zu nutzen. Diese Freunde, die uns soweit gebracht haben - auch in die bedingte Welt hinein - zu übersehen, weil wir ihre Möglichkeiten nicht erkennen oder im Rausch des Wachstums vergessen, sie einzuladen und ihnen unsere Programme zu schicken oder sie um Rat zu fragen, wäre riesig dumm. Wir würden damit unsere Wurzeln kappen und das darf niemals geschehen. Wenn weltliche Belange durch unsere Entwicklung stärker werden, halten sie oft den Überblick. Sie beraten gerne, wer im Strom der Geschehnisse Entscheidungen treffen sollte und teilen ihre Erfahrungen mit ihnen. Vieles ergibt sich von allein, weil sich bei uns alle so gut kennen. Mit geteiltem Segen, Phowa und unserer täglichen Karmapa-Meditation entwickelt sich das Kraftfeld unseres Diamantweges sowieso fließend und gemeinsam.

In Tibet wurden bewusst Wiedergeborene gesucht und nach Möglichkeit früh von Meistern wieder erkannt. Sie verließen oft in jungen Jahren schon ihre Familien, wurden in Klöster gebracht und erhielten dort auch ihre Ausbildungen. Sollte man Kinder mit besonderen Fähigkeiten im Westen besonders behandeln oder sie früh buddhistisch schulen?
Ich finde nicht, vor allem nicht geschlechtlich getrennt. Buddhismus ist nicht schwierig. Man muss nur das finden, was einem entspricht und einige leben davon, Einfaches schwierig zu machen, während andere Schwieriges vereinfachen. Auch ist Intelligenz und menschliche Reife keineswegs dasselbe. Wenn die Hauptpunkte im Diamantweg bekannt sind, man täglich mit den Buddhas verschmilzt und Internet-Streaming von Kursen besucht, müssen nur für die Zukunft die Horte des Lernens bewahrt werden, so wie KIBI und ITAS. Neben diesen Angeboten braucht es nichts Besonderes für besondere Kinder. Es ist viel überzeugender, wenn bewusste Wiedergeburten die Welt kennen und sich im Laufe des Lebens selbst beweisen.

Wärest du bereit, auch einmal an einen Nachmittag speziell für Kinder Belehrungen zu geben und Fragen von Kindern zu beantworten?
Fragen beantworten sehr gern, aber für Kinderbelehrungen habe ich keine Ausbildung. Wann die unterschiedlichen Altersgruppen was verstehen können, habe ich nicht gelernt. Alles Beste. Hoffe, dass diese Antworten meinerseits von Nutzen sind. Es waren Fragen, mit denen ich mich bis jetzt nur am
Rande beschäftigt habe. Wenn alle guten Ratschläge nicht helfen, bewahren Hörschützer den Frieden.


Das Interview wurde von Caty Hartung geführt. Die Fragen stammen größtenteils von Müttern aus der Schwarzenberger und Ravensburger Sangha. Sie wurden gesammelt, überarbeitet und ergänzt von Claudia Knoll.