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BUDDHISMUS HEUTE
Aus: Buddhismus Heute Nr. 31, ( 2000)

Ein Interview mit dem 17. Gyalwa Karmapa Thaye Dorje

Können Sie etwas über den Namen "Karmapa" sagen? Wie sollen die Menschen im Westen Sie ansprechen?

Der Name Karmapa steht für die Person, deren Aktivität es ist, allen Leuten zu helfen. Karmapa ist jemand, der immer in der Welt sein wird, so lange wie es nötig ist und die "Welt" weitergeht. Ich denke, die Leute können mich einfach "Karmapa" nennen. Manchmal sagen sie als Zeichen ihres Respektes "Seine Heiligkeit". Auch "Gyalwa Karmapa" ist in Ordnung - was immer ihnen leicht fällt. Für mich ist es nicht so wichtig.

Wie wurden Sie in Tibet ausgebildet und wer waren Ihre Lehrer? Können Sie uns auch etwas über ihre Familie erzählen?

Als ich noch sehr klein war, studierte ich wie jeder andere Tulku-Junge in Tibet. Mit vier Jahren begann ich das tibetische Alphabet "Ka Kha Ga Nga" zu lernen. Später lernte ich lesen und schreiben und auch buddhistische Texte auswendig. Es war mein Vater, der mich unterrichtete und ich erinnere mich sehr gut. Die meiste Zeit war ich in Lhasa. Einmal, als ich etwa drei Jahre alt war, waren wir wieder zurück in Kham und ich kann mich sehr deutlich an unser Haus dort erinnern - mein Zimmer, das Fenster, das Kinderbett. Ich spielte auch mit den kleinen Trommeln und Musik-Instrumenten und erinnere mich, dass ich sie sehr mochte - sie waren so klein und niedlich. Das Kinderbett war aus Holz, und ich konnte nicht rausfallen. Ich fühlte mich so sicher, wenn ich darin schlief.
Unser Haus in Lhasa hatte zwei Stockwerke und ich schlief im unteren. Es war ein recht grosses Gebäude mit vielen Fenstern. Die Tage waren einander sehr ähnlich: ich verbrachte meine Zeit damit, mit meinem Vater im oberen Stockwerk zu studieren und zu rezitieren. Ich lernte einige der klassischen Texte wie das Umalajugpa, Khejug, Ngondogyen und auch viele kürzere Texte.
Meine Mutter war sehr hingebungsvoll gegen-über meinem Vater. Er war ihr Lehrer und sie praktizierte regelmässig. Jede Nacht übte sie die Chöd-Meditation. Sie war eine gute Praktizierende.
Meine Oma war sehr süß, eine echte Dharma-Praktizierende. Früh morgens ging sie zum Barkhor-Tempel in Lhasa und umschritt ihn bis zur Mittagessen-Zeit, wenn unser Diener losging um sie abzuholen. Nach dem Essen kehrte sie zurück und setzte ihre Umschreitungen fort. So verbrachte sie ihr Leben.
Als ich zehn Jahre alt war, zog ich nach Kham und blieb dort bis ich 1994 nach Indien ging, etwa anderthalb Jahre später.

Wie geht es Ihren Eltern damit, dass ihr Sohn als Karmapa erkannt wurde? Sehen Sie sie oft?

In Tibet freuen sich Eltern deren Kinder Tulkus sind und wünschen, dass ihr Kind für viele Menschen nützlich sein möge. So sind auch meine Eltern. Sie sind froh darüber, wer ich bin. Ich sehe sie nicht so oft, aber manchmal habe ich die Gelegenheit.

Können Sie uns etwas über Ihre Ausbildung im Karmapa International Buddhist Institute in New Delhi und in Kalimpong erzählen? Wie sind die Pläne für Ihre weitere Ausbildung?

Bisher habe ich in Indien vor allem die beiden Texte "Die 37 Praktiken eines Bodhisattva" und "Das Tor des Wissens" studiert. Was meine zukünftigen Studien angeht, so würde ich gerne alles lernen, sofern ich die Zeit dafür habe. Mein Studienplan wird von Shamar Rinpoche organisiert und wir treffen uns von Zeit zu Zeit, um darüber zu sprechen. Wenn es nötig ist, werde ich mir auch die Zeit für einige Zurückziehungen nehmen.

Ihr Leben hat sich ziemlich dramatisch verändert in den letzten Jahren: Vom Leben in Lhasa zu Weltreisen mit Vorträgen und Ermächtigungen. Geniessen Sie Ihr Leben noch?

Natürlich mag ich es, aber es kann manchmal auch ziemlich schwierig sein.
Ich bin glücklich über das was ich tue. Es ist nicht so, dass ich übertrieben beschäftigt wäre oder einer Art militärischen Disziplin folgen würde, es gibt auch freie Zeit.

Bei Ihrem ersten Besuch im Westen haben Sie vor allem aus dem Text "Die 37 Praktiken eines Bodhisattva" von Thogme Rinpoche gelehrt. Warum haben Sie diesen Text ausgewählt? Was waren Ihre Eindrücke bei Ihrem Besuch im Westen?

Zuerst einmal ist es ein einfacher Text, der leicht zu verstehen ist, aber er ist auch nützlich für alle Leute, sowohl "ältere" Praktizierende als auch Neue. Er ist grundlegend und essentiell und kann leicht im Leben angewendet werden, da er positives Verhalten betont.
Dieser Besuch hat mir gezeigt, dass es zwar Unterschiede zwischen den Kulturen des Ostens und des Westens gibt, dass die Menschen aber grundlegend gleich sind. Im Westen ist der Buddhismus neu und so müssen die Leute aufpassen, kein Ego darüber zu entwickeln, dass sie Buddhisten sind und zu denken, dass sie besser als andere seien. Sie sollten stattdessen mehr Bewusstheit entwickeln.
Der Dharma wird entsprechend der Situation des jeweiligen Landes, in dem er gerade ist, praktiziert werden. In Tibet hatten die Lehrer sehr besondere Fähigkeiten und waren so überzeugend, dass die Menschen sie kannten und ihnen vertrauten, auch ohne selbst so viel zu wissen. Da gab es nicht den Bedarf für Dharma-Zentren in derselben Weise wie hier. Gerade jetzt wächst der Dharma im Westen und wird sich in den verschiedenen Ländern in seiner eigenen Weise entwickeln.
Ich denke, dass sowohl der Osten als auch der Westen für meine zukünftige Aktivität wichtig sein werden. Ich habe eine gute Verbindung zu den Leuten, die mithelfen die Zentren zu betreiben und die Kurse während meiner Besuche zu organisieren. Ich würde mir wünschen, dass all die Leute die ich traf, mehr zu lernen versuchen und das bisher Gelernte anwenden. Dass sie bei ihrer Praxis und den Verpflichtungen die sie eingingen bleiben - die Versprechen halten und meditieren.

Die meisten Leute, die Sie trafen, hatten nicht die Möglichkeit, dem 16. Karmapa zu begegnen und kennen ihn nur aus den Beschreibungen von Lama Ole und Hannah. Wie geht es Ihnen, wenn Sie von ihm hören? Erinnern Sie sich an Ihr letztes Leben?

Ich habe das Gefühl, dass ich etwas lernen kann, wenn ich Geschichten über den 16. Karmapa höre, und ich denke, seine Taten sind gute Beispiele für jedermann. Man sollte aber auch verstehen, dass die Aktivität eines jeden Karmapa unterschiedlich ist, entsprechend der Umstände zur Zeit seines Lebens. Was mein letztes Leben betrifft, so ist das nichts, um darüber zu reden. Die allerwichtigte Sache ist Praxis.

Viele Leute sagen, dass das Internet unsere Art und Weise der Kommunikation nachhaltig verändern wird. Denken Sie, dass es einen Einfluss auf den Buddhismus haben wird?

Ich wünsche ihnen, dass sie in sich Frieden und Ich wünsche ihnen, dass sie in sich Frieden und Ich denke, dass es einen grossen Effekt auf den Buddhismus hat - insbesondere hinsichtlich des Teilens von Information. Es gibt viele Leute, die gerne etwas über Buddhismus lernen wollen, aber nicht auf einen buddhistischen Kurs gehen können - so ist also das Internet eine sehr gute Möglichkeit für sie. Auch denke ich, dass ich selbst das Internet nutzen werde, um Information über Buddhismus verfügbar zu machen.

Dieses Interview wird veröffentlicht werden, wenn Sie schon wieder nach Indien abgereist sind. Haben Sie noch einen letzten Ratschlag für unsere Leser, für die Zeit bis sie Ihnen wieder begegnen können?

Ich wünsche ihnen, dass sie in sich Frieden und Mitgefühl entwickeln. Mein Gefühl ist, dass dies der Schlüssel zu ihrem Glück ist. Ich wünsche auch, dass ihr alle zusammenarbeitet - das ist eine gute Grundlage und macht alles leichter.


Die Fragen wurden ausgearbeitet von Ulla Unger-Göbel und Detlev Göbel, an Gyalwa Karmapa gestellt von Hannah Nydahl.

Übersetzung aus dem Tibetischen ins Englische von Hannah Nydahl, ins Deutsche von Detlev Göbel.

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