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Ein Briefwechsel zwischen dem Büro des Dalai Lama und Künzig Shamar Rinpoche
Vom Büro Seiner Heiligkeit Dalai Lama
Ich sende Ihnen hiermit unsere Antwort zu den von Ihnen bei Ihrem Treffen am 3. Januar 1997 mit S.H. Dalai Lama angesprochenen Gesprächspunkten. (Liste der Punkte, die Sie bei dem Treffen ansprachen:)an Shamar Rinpoche, Halter der Karma-Kagyü-Linie Sie drückten den Wunsch aus, daß S.H. der Dalai Lama die von Ihnen anerkannte junge Wiedergeburt des 16. Karmapa trifft und ihr die Novizen-Gelübde der Mönchsordination gibt, und daß auch die Eltern der jungen Reinkarnation S.H. den Dalai Lama treffen. Sie sagten, daß auch Tschobgye Tri Rinpoche die gleiche Reinkarnation anerkennt. Sie erbaten die Erlaubnis des Dalai Lama, daß Urgyen Trinle Thronhalter von Karmapas Sitz in Tibet – des Kloster Tsurphu – sei, und die von Ihnen anerkannte Reinkarnation Halter von Karmapas Sitz in Indien – dem Kloster Rumtek. Unsere Antwort: Sie haben S.H. den Dalai Lama zuvor wiederholt darüber informiert, daß der verstorbene Karmapa Anweisungen über die Umstände seiner zukünftigen Wiedergeburt bei einem Bhikshu hinterließ, der sein ethisches Verhalten in sehr reiner Weise eingehalten hat, und daß Sie zu gegebener Zeit S.H. den Dalai Lama über den Inhalt dieser Anweisungen informieren würden. S.H. der Dalai Lama antwortete, daß eine zweite Karmapa-Inkarnation möglich sei, wenn es eine authentische Quelle für diese Anweisungen gäbe. Als wir jedoch Folgerungen zogen aus dem, was Sie neulich bei dem Treffen zwischen S.H. dem Dalai Lama und Ihnen sagten und diese untersuchten, schien uns, daß der von Ihnen erwähnte ältere Bhikshu Tschobgye Tri Rinpoche sei. Am 18.Januar 1997 gaben wir Ihnen durch unseren Repräsentanten in New Delhi die Kopie eines Briefes von Tschobgye Tri Rinpoche an S.H. den Dalai Lama. 1996 war unser Repräsentant in Nepal an Tschobgye Tri Rinpoche mit der Frage herangetreten, wie er die von Ihnen vorgezeigte Reinkarnation anerkannt habe. Tschobgye Tri Rinpoche schrieb als Antwort an S.H. den Dalai Lama, daß er die Anerkennung nicht vollzogen habe. Dieser Brief machte deutlich, daß Sie keine authentische Quelle für Ihren Anspruch haben. Deswegen gibt es keine Möglichkeit für eine zweite Karmapa-Reinkarnation. Es kann nur einen Vorsteher der Klöster Tsurphu und Rumtek geben. Für zwei Vorsteher gibt keine Möglichkeit. S.H. der Dalai Lama hat klar und verständlich die in Tibet lebende Karmapa-Reinkarnation anerkannt. Es gibt in dieser Hinsicht keinen Spielraum für Veränderung. Auch haben Sie bei einem früheren Treffen mit unserem Repräsentanten des "Department of Religious Affairs" und Repräsentanten der verschiedenen tibetischen religiösen Schulen, gesagt daß Sie nicht die Absicht hätten, Störungen in Hinsicht auf die Position des traditionellen Sitz der Karmapas zu erzeugen. Was das Treffen S.H. des Dalai Lama und der Reinkarnation sowie das Geben der Mönchsordination anbelangt, so sagten wir, daß es sehr wichtig ist, daß Situ und Gyaltsab und ihre Mitarbeiter konsultiert und alle Details mit ihnen geklärt werden. Ihre Antwort war, daß dies geschehen könne, und daß es über das "Department of Religious Affairs" erledigt werden könne. Das "Department of Religious Affairs" hat das Protokoll Ihres Treffen mit S.H. dem Dalai Lama an Sie und die von dieser Angelegenheit Betroffenen gesandt. Am 29. Januar wurden die Minister der tibetischen Exilregierung angerufen von: Gyaltsab Rinpoche, Thrangu Rinpoche, einem Vertreter von Situ Rinpoche, zwei Kagyü-Repräsentanten, dem Schatzmeister der Schwarz-Hut-Tradition, dem Präsidenten der kleinen Zung-Drel-Vereinigung, dem Präsidenten der Sikkim-Hla-De-Vereinigung, dem Vizepräsident der Himalaya-Vereinigung, Repräsentanten von 19 Zentren in acht Ländern, und 79 Repräsentanten von 32 Klöstern in Indien und Nepal. Sie riefen auch am 30. Januar S.H. den Dalai Lama an. In Kürze besprachen sie das Folgende: Die Leute, die sich mit S.H. dem Dalai Lama trafen, sagten ihm, daß es in der Geschichte der Karmapas und der damit zusammenhängenden Vorhersagen bis heute keinen Fall von mehreren zeitgleichen Wiedergeburten gegeben habe – wie etwa Wiedergeburten des Körpers, der Rede und des Geistes. Auch sagten sie, daß wenn S.H. der jungen Reinkarnation eine Audienz und die Mönchsgelübde geben würde, die Probleme und Streitigkeiten in der Kamtsang-Kagyü-Linie zu keinem Ende kämen. Daher, so insistierten die Anwesenden, ist es unmöglich, die junge Reinkarnation als eine Körper-, Rede- oder Geist-Wiedergeburt von Karmapa anzuerkennen, oder ihr eine Audienz und die Mönchsgelübde zu gewähren. Aus diesem Grunde, und um weitere Problem zu vermeiden und im Sinne der Aussöhnung, kann S.H. der Dalai Lama zur Zeit der jungen Reinkarnation keine Audienz gewähren und ihr nicht die Mönchsgelübde übertragen. Bitte halten Sie dies im Geist. Büro Seiner Heiligkeit des Dalai Lama, 3. Februar 1997, Herr Lojin Antwort von Künzig Shamar Rinpoche An das persönliche Büro des Dalai Lama, Dharamsala Ich habe Ihren Brief vom 3. Februar 1997, in dem Sie mich über die Beschlüsse S.H. des Dalai Lama zu den mit ihm am 3. Januar 1997 besprochenen Themen informieren, erhalten. Das zu diesem Zeitpunkt Beschlossene wurde Ihrem Brief zufolge wieder geändert. In Ihrem Brief vom 3. Februar finden sich Punkte, die Sie bei dem Treffen nicht angesprochen haben. Vielleicht haben Sie, als wir von Angesicht zu Angesicht miteinander sprachen, vergessen diese Punkte zu erwähnen. Es scheint, daß diese Themen, die weit entfernt von der Wahrheit sind, Ihnen nach unserem Treffen wieder einfielen und Sie sie dann mitteilen wollten. Nachfolgend meine Antwort zu jedem Ihrer Punkte: Tschobgye Tri Rinpoche ist ein Lama demgegenüber ich Respekt und Vertrauen empfinde. Deswegen betrachte ich das, was er mir privat über die Reinkarnation des verstorbenen Karmapa sagte, als die glückverheißenden Worte eines heiligen Mannes. Trotzdem nehme ich seinen Hinweis als eine Quelle unter mehreren, die zu untersuchen ist. Grundsätzlich bin ich auf der Basis meiner eigenen Bemühungen zu meiner Entscheidung gekommen. Ich habe verschiedene Wege verfolgt, bis es keinerlei Zweifel mehr in meinem Geist gab. Auch habe ich traditionelle Methoden benutzt, wie die Anrufung erleuchteter Gottheiten, um von ihnen Hinweise zu bekommen. Für mich gibt es keinen Grund, die Unterstützung Tschobgye Tri Rinpoche oder irgendeiner anderen Person zu erbitten. Seine Heiligkeit, der 16. Karmapa Rigpe Dorje hat mich als die Shamar Reinkarnation anerkannt. Es ist über 30 Jahre her, daß er mich inthronisiert und dies etabliert hat. In der Karma-Kamtsang-Linie sind die Shamarpas die Autorität neben den Karmapas. Es gibt deswegen keine Person, die hinsichtlich der Entscheidung, wer die authentische Reinkarnation eines Karmapa ist, an die Stelle eines Shamarpa tritt. Ich bestehe jedoch nicht auf Tradition, um andere zu zwingen, meiner Entscheidung zuzustimmen. Es liegt bei dem Karma-Kamtsang-Anhänger, ob er Tradition respektieren möchte oder einen anderen Ansatz wählt. Während unseres Treffens neulich haben wir das Thema Tschobgye Tri Rinpoche und die damit zusammenhängende Angelegenheit nur kurz berührt. Während der Karma-Kagyü-Konferenz 1996 in New Delhi habe ich jedes einzelne Detail meiner Begegnung mit ihm klar dargelegt, und die Tonaufnahmen von der Konferenz stehen überall zur Verfügung. Mir ist bewusst, daß Tschobgye Tri Rinpoche von Ihrem Repräsentanten in Nepal kontaktiert wurde und daß Tschobgye Tri Rinpoche seine Antwort in einem Brief an S.H. den Dalai Lama gab. Er schrieb auch mir und ich habe eine Kopie seines Briefes beigefügt. Damit ist deutlich, daß die Details, die ich auf der Karma-Kagyü-Konferenz enthüllt habe, der Wahrheit entsprechen. Wie Sie in Ihrem Brief erwähnt haben, bin ich bei meinem Treffen neulich mit S.H. dem Dalai Lama nicht auf diese Details eingegangen, da ich annahm, daß S.H. der Dalai Lama sie kennt, denn die Beschlüsse dieser Konferenz sind allgemein bekannt. Sie geben jedoch vor, ich hätte durchblicken lassen, daß Tschobgye Tri Rinpoche die Person ist, von der ich weiß, daß sie im Besitz von S.H. Karmapa Rigpe Dorjes Anweisungen über seine Wiedergeburt ist. In der Tat habe ich jedoch kein Wort in dieser Richtung S.H. dem Dalai Lama gegenüber geäußert. Ich habe ebensowenig gesagt, daß die betreffende Person jemand sei, der das ethische Verhalten eines Bhikshu in sehr reiner Weise einhält. Was ich tatsächlich sagte, war, daß diese Person ein Schüler des verstorbenen Karmapa ist, ein Schüler, der seine Verbindung zum verstorbenen Karmapa rein gehalten hat und der den verstorbenen Karmapa hochschätzt. Als ich 1994 S.H. den Dalai Lama im Centaur Hotel in der Nähe des Flughafens von New Delhi traf, sagte er zu mir, daß diese Person ein Bhikshu sei, der sein ethisches Verhalten in reiner Weise einhalte. Zu jener Zeit antwortete ich sofort, daß dies nicht der Fall sei. Bei unserem neulichen Treffen sagte S.H. der Dalai Lama wieder dasselbe, aber ich versuchte nicht, ihn zu korrigieren, da ich es für ziemlich unwichtig hielt, wofür ich mich hiermit entschuldige. Ihre Erwähnung des ethischen Verhaltens eines Bhikshu betrifft jedoch auch die Disziplin eines Bodhisattva, so daß es in der Tat nicht nötig ist, Ihre Worte zu berichtigen. Daß ich im Namen der jungen Reinkarnation des verstorbenen Karmapa um eine Audienz mit S.H. bat, entsprang meinem Wunsch, S.H. dem Dalai Lama Respekt zu erweisen. Es ist allgemein bekannt, daß S.H. der Dalai Lama und Seine Heiligkeit der Karmapa während des späteren Teils von Karmapas Leben in ständiger Opposition waren. Um diese Tendenz zu beenden, tat ich mein Bestes, um eine glückverheißende Verbindung zu schaffen, als ich darum bat, daß S.H. der Dalai Lama der von mir anerkannten Wiedergeburt des verstorbenen Karmapa die Mönchsgelübde gibt. Ich habe nie darum gebeten, daß S.H. die junge Reinkarnation als eine Körper-, Rede- oder Geist-Inkarnation anerkennt. Ich brauche eine solche Anerkennung in keiner Weise, denn S.H. der Karmapa muß nicht eine Erlaubnis erbitten, um sich in dieser Welt gebären zu lassen. Der Anspruch, daß er ein Visum benötigt, um diese Welt zu betreten, ist lächerlich für jedermann in den drei Bereichen, die unser Universum ausmachen. Der neue politische Trend in China hat die Anerkennung des Karmapa und des Panchen ermöglicht. In dieser Situation war die politische Antwort des Persönlichen Büros S.H. des Dalai Lama unangemessen. Das Büro veröffentlichte, daß die chinesische Auswahl der Karmapa-Wiedergeburt authentisch sei, es lehnte jedoch die chinesische Auswahl der Panchen-Wiedergeburt um eigenen Vorteils willen ab. Ich, die Shamar-Reinkarnation, habe den Versuchen, die Linie der Karmapas in den Dreck zu ziehen, ein Ende gesetzt. Dies – zu verhindern, daß Politik sich in die Religion mischt – nutzt nicht nur der Kagyü-Schule des Tibetischen Buddhismus, sondern allen Schulen, die auf einer Linie von aufeinander folgenden wiedergeborenen Meistern beruhen. Dies zu verhindern ist äußerst nützlich, um Selbstbestimmung aufrechtzuerhalten. Das Persönliche Büro des Dalai Lama hat unter anderem gesagt, daß es nur auf Grundlage eines verlässlichen Briefes mit vom verstorbenen Karmapa hinterlassenen Anweisungen die Erlaubnis einer Körper-, Rede- oder Geist-Reinkarnation Karmapas erwägen würde. Dies läuft auf eine mittelalterliche diktatorische Anweisung hinaus und mir ist bewusst, daß dies die von Ihnen erwünschte Herangehensweise ist. Sie ist für mich jedoch völlig unannehmbar. Unser Karmapa Trinle Thaye Dorje ist völlig jenseits der Fallen solcher irreführender politischer Intrigen. Es ist weltweit bekannt, daß er – in Übereinstimmung mit der Prophezeiung des fünften Karmapa Deshin Shegpa – als einer der 21 Karmapas voll eingesetzt ist. Es besteht keine Notwendigkeit, eine Bestätigung dieser Tatsache unter dem Vorwand einer Körper-, Rede- oder Geist-Reinkarnation zu erbitten. Eine solche Bestätigung war noch nie nötig, seit der Zeit des ersten Karmapa Düsum Khyenpa. Warum also sollte sie heute erforderlich sein? Genauso in Hinsicht auf das Kloster Rumtek: Der damalige Dharmakönig von Sikkim schenkte das Grundstück S.H. dem Gyalwa Karmapa Rigpe Dorje, der dort seinen Sitz errichtete. Da S.H. der Dalai Lama seit der Zeit S.H. Gyalwa Karmapa Rigpe Dorjes dort niemals irgendein Recht der Einflußnahme hatte, ist seine Erlaubnis in keiner Weise dafür erforderlich, ob ein Karmapa seinen rechtmäßigen Sitz in Besitz nimmt oder nicht. Situ bestach jedoch den früheren Ministerpräsidenten Sikkims, Herrn Nar Bhadur Bhandari, welcher örtliche bewaffnete Truppen benutzte, um gewaltsam das Kloster einzunehmen. Herr Bhandari verlor die Wahlen. Nun ist das Kloster Rumtek Streitobjekt bei Prozessen an indischen Gerichtshöfen. Dieser Rechtsstreit ist der einzige Umstand, der die junge Reinkarnation daran hindert, dorthin zu gehen. Es ist in keiner Weise von einer Erlaubnis S.H. des Dalai Lama abhängig. Wir sind alle insofern gleich, daß wir Flüchtlinge sind. Warum sich die Mühe machen, einen anderen Flüchtling um Erlaubnis dafür zu bitten, nach Sikkim zu gehen? Die Tatsache, daß S.H. der Dalai Lama nicht die Autorität hat, den überragenden Karmapa Thaye Dorje daran zu hindern, seinen Thron einzunehmen, sein Kloster in New Delhi in Besitz zu nehmen, zeigt deutlich, daß er ebenso kein Recht der Einflußnahme über das Kloster Rumtek hat. Das Kloster Rumtek liegt in Indien. Aus diesem und vielen anderen Gründen ersuchte ich aus Sorge S.H. den Dalai Lama darum, daß diese Art von übertriebenen Handlungsweisen, die ihr Ziel nicht erreichen können, aufgegeben werden. Ich sagte, daß wir nicht versuchen werden, Einfluß auf den Tsurphu-Sitz von Karmapa Urgyen Trinle zu gewinnen. Ebenso haben, da das Kloster Rumtek in Indien liegt, weder die Regierung Chinas noch Gyalwa Karmapa Urgyen Trinle Ansprüche auf das Kloster Rumtek erhoben. Alle Klöster und Einrichtungen in Indien, die dem verstorbenen Gyalwa Rigpe Dorje gehörten – das Kloster Rumtek, das Karmapa Institute in New Delhi und andere Zweigstellen in Indien – übertrug der verstorbene Karmapa, welcher der rechtmäßige Besitzer war, auf den Karmapa Charitable Trust. Wenn also das Persönliche Büro des Dalai Lama eine Reihe unzulässiger Ansprüche auf Eigentum erhebt, das ihm nicht gehört, bewahrheitet dies die Gerüchte, daß die tibetische Exilregierung die Regierung Chinas für ihre eigenen Zwecke versöhnlich stimmen und Sikkim als Teil Tibets hinstellen will. So werden der Name des Dalai Lama und seine Ziele in negativer Weise beeinflußt. Weiterhin sprachen Sie hinsichtlich einer Audienz des großartigen Gyalwa Karmapa bei S.H. dem Dalai Lama von den Schwierigkeiten, daß Sie unter anderen die Erlaubnis von Situ Rinpoche erbitten müßten. Dies ist in Ihrem Brief klar ausgedrückt. Ganz recht, für uns ist die derzeitige Entscheidung, Karmapa keine Audienz zu gewähren, bevor er nicht erwachsen ist, zufrieden stellend, denn unsere Hauptsorge gilt zur Zeit seiner Ausbildung. Ein anderer Grund dafür, warum eine Audienz derzeit nicht wünschenswert ist, ist der, daß wir unser Land verloren und in Indien Zuflucht gefunden haben. Situ und Gyaltsab können sich hier in Indien nicht treffen, da Situ die Einreise in das Land verwehrt wird und Gyaltsab das Land nicht verlassen darf, denn beide haben indische Gesetze übertreten. Nur aufgrund der Güte der indischen Regierung, der Tatsache, daß die Politik dieses Landes friedliebend ist, sind die beiden zurzeit nicht inhaftiert. Ich selbst bin nicht so tief gefallen, zwei der verrufensten Individuen unter uns Flüchtlingen um eine Erlaubnis bitten zu müssen. Unser Karmapa, der überragende Trinle Thaye Dorje, lebt in Indien, wo ihm die Regierung Respekt und Verehrung entgegenbringt. Indien ist für Tibet und die Tibeter von großer Bedeutung. Es ist die Quelle des Tibetischen Buddhismus, und es ist das Land, das den Tibetern, die 1959 aus Tibet flohen, Zuflucht und Schutz gewährte. Indien hat uns Tibetern gegenüber große Güte gezeigt. Zwei der mächtigsten Nationen Asiens sind Indien und China, und – wie ich schon zuvor erwähnte – die indische Regierung zeigt große Wertschätzung für Karmapa Thaye Dorje. Wenn man versuchen wollte, bessere Umstände als diese zu erlangen, so wäre dies als wenn man einen Diamanten wegwerfen würde, um einen Halbedelstein zu bekommen. Wir sind völlig zufrieden mit dem derzeitigen Stand der Dinge, unsere Freude ist vergleichbar mit der Freude des Samadhi [meditative Versenkung] auf der höchsten Stufe. Wie Sie wissen, ist unser aller Wohlergehen von der Regierung Indiens abhängig, und wir haben keine anderen Möglichkeiten. Die Ziele unserer Linie zu erreichen, obliegt uns, die wir Teil dieser Linie sind. Zur Zeit wurden unsere Ziele – abgesehen von der Situation im Kloster Rumtek – verwirklicht. Aufgrund meiner Bemühungen wurden der Besitz des Kloster Rumteks, sein Land und seine beweglichen Güter geschützt. Was die Probleme der Mönchsgemeinschaft anbelangt, so wurden die sikkimesischen Polizeikräften beauftragt, die Ordnung zu bewahren. Diese Probleme werden durch das Gericht gelöst werden. Dies ist die Weise wie gesetzestreue Leute mit der Auflösung von Streitigkeiten umgehen. Deswegen warten wir einfach das Urteil des Gerichtes ab. S.H. der Dalai Lama hat bisher im Sinne seiner Verantwortung den Exiltibetern immer wieder und wieder geraten, sich auf eine Rückkehr nach Tibet vorzubereiten, daß sie kein dauerhaftes Heim außerhalb Tibets errichten und daß sie nicht einmal Möbel in ihren Häusern aufstellen sollen. Sich um die Rückkehr nach Tibet zu bemühen, liegt in der Verantwortung Seiner Heiligkeit – nicht jedoch das Kloster Rumtek. Deswegen ist meine letzte Bitte an das Persönliche Büro des Dalai Lama, den Namen Seiner Heiligkeit aus dieser problematischen Angelegenheit herauszuhalten. Das Kloster Rumtek ist ein Kloster in Sikkim, und so gibt es keine Möglichkeit, es nach Tibet mitzunehmen. Sie sagen in Ihrem Brief vom 3. Februar deutlich, daß es endlose Probleme gäbe, wenn unserer jungen Reinkarnation eine Audienz bei S.H. dem Dalai Lama gewährt würde. Wenn dies Ihre wahre Sicht der Angelegenheit ist, warum haben Sie sich dann von Anfang an als Leute verhalten, die Öl ins Feuer dieser Probleme gossen? Die Menschen von Sikkim mußten infolge dieser Verhaltensweisen das meiste Leid ertragen. Würde es irgendeinen Vorteil haben, wenn S.H. der Dalai Lama als derjenige erscheinen würde, der Unruhe in einem der Staaten Indiens gestiftet hätte? Ich bitte Sie um einen weitsichtigeren Ansatz. Sie sollten in Ihren Unternehmungen Vorsicht walten lassen! Das lodernde Feuer politischer Intrigen, das Situ und Gyaltsab – die die Karmapa-Reinkarnation als Vorwand benutzt haben – entfachten, wurde von mir auf Basis friedlicher Mittel gelöscht bevor es alles verzehren konnte. Dies wird durch Dokumente über den Verlauf der Ereignisse von Beginn bis zum Schluß belegt. Aber ist es nicht so, daß S.H. der Dalai Lama, da er ja den Friedensnobelpreis angenommen hat, auf Basis von Mitteln handeln sollte, die Frieden und Glück bringen und hundertmal friedliebender sind als meine? Neulich erhielt eine Gruppe von Leuten, die mit Situ und Gyaltsab zusammenhängen, in Dharamsala eine Audienz bei S.H. dem Dalai Lama. Sie gaben vor, eine große Anzahl von Klöstern und buddhistischen Zentren der Welt zu vertreten. Aber wir wissen sehr wohl, um wen es sich handelte. Situ und seine Mitarbeiter hatten den früheren Ministerpräsidenten Sikkims, Herrn Nar Bhadur Bhandari, der damals diktatorisch wurde, bestochen. Daraufhin zerstörten sie den Sitz ihres Wurzellamas, was eine extrem negative Handlung ist. Zu jener Zeit gaben Herr Kunsang Sherab – gegen den, wie mir gesagt wurde, zur Zeit Ermittlungen des CBI (Central Bureau of Investigation) laufen – und seine Mitarbeiter, unter anderem eine Gruppe jugendlicher Straftäter aus Lal Bazaar, Gangtok, Geschenke und Nahrungsmittel an einige verrückte Leute aus Sikkim. So gelang es ihnen, diese Leute nach Rumtek zu bringen. Das sich so ergebende Treffen nannten sie "Internationales Kagyü Treffen". Auf diesem "Treffen" wurden Resolutionen erlassen, die in eklatanter Weise die Wahrheit verdrehten. Diese Resolutionen wurden dann dem Land Revenue Office in Gangtok übergeben. Der Beamte erfuhr jedoch, daß das "Treffen" keine Rechtsbefugnis für die gefällten Entscheidungen gehabt hatte, daß es in der Tat illegal war. Deswegen akzeptierte das Amt die Beschlüsse nicht. Es sind genau diese Personen, die nun eine Audienz bei S.H. dem Dalai Lama hatten. Da wir jedoch keine Kinder sind, sind wir weit davon entfernt, uns von diesen Leuten oder ihrer Anzahl beeindrucken zu lassen. Selbst einmal angenommen, diese Leute wären, wer sie zu sein vorgeben, so sind sie immer noch – wie ich zuvor schon erwähnte – Mitarbeiter von zwei der verrufensten Personen in unserer Gemeinschaft, Anhänger von gesetzlosen Individuen. Deswegen sind wir in keiner Weise beeindruckt. Weiterhin wurde ich darauf aufmerksam gemacht, daß der Generalsekretär S.H. des Gyalwa Karmapa in der Gruppe der Leute bei der Audienz mit S.H. dem Dalai Lama war. Was dies betrifft, so hat der verstorbene Karmapa Rigpe Dorje zwei Generalsekretäre ernannt. Der ältere Generalsekretär starb vor vielen Jahren. Der jüngere Generalsekretär, Tragpa Yongdu, Neffe des verstorbenen Karmapa, lebt noch und ist wohlauf. Deswegen erkundigten wir uns bei der Botschaft Chinas, ob der tibetische Karmapa Urgyen Trinle einen Generalsekretär zum Wohnsitz S.H. des Dalai Lama nach Dharamsala entsandt hätte. Die Antwort war, daß dies nicht der Fall sei; keine einzige Person sei nach Dharamsala geschickt worden. Seien Sie sich also darüber im Klaren, daß der »Generalsekretär«, der zum Wohnsitz Seiner Heiligkeit kam, ein Hochstapler ist. Seine Heiligkeit Shamarpa Chökyi Lodrö Karmapa-Kloster, New Delhi; 7. Februar 1997 |
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